Schlagwort-Archive: Amerikanische Literatur

Von einem Verlierer, der ein Gewinner ist.

Barbara Kingsolver | © Foto: Evan Kafka

„Ich sagte, dass mich noch nie jemand gefragt hatte, was ich werden wollte, wenn ich groß war, darum wüsste ich es nicht. Hauptsache, noch am Leben.“ Wenn es einen Satz gibt, der exemplarisch für die Hauptfigur des Romans „Demon Copperhead“ steht – dann dieser. Wann hatte ich zuletzt mit einer literarischen Figur eine so enge Beziehung gehabt wie mit Demon? Ich weiß es nicht.

In jedem Fall spüre ich jetzt nach der Lektüre eine, sagen wir, literarische Melancholie. Abschied nehmen von einem Protagonisten, der mir ans Herz gewachsen ist. Gleichzeitig empfinde ich große Dankbarkeit für diese Begegnung und die Möglichkeit, euch nun von Demon zu erzählen. Für mich ist dieser Roman ein Meilenstein auf der Straße der vielen Neuerscheinungen.

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Erneut entdeckt: die wunderbare Willa Cather.

Stets staune ich über die magischen Fäden, die mich immer wieder wie feine Nervenbahnen mit der Welt der Bücher verbinden und neue Verbindungen schaffen. Wobei sie manchmal gar nicht so neu sind, sondern nur bereits vorhandene Verbindungen neu knüpfen.

So geschehen bei Willa Cather. Vor Jahren habe ich mit großer Begeisterung ihren Roman „Mein ärgster Feind“ gelesen und auf dem seinerzeit noch taufrischen Blog besprochen. Damals fragte ich mich: Warum habe ich bisher so wenig über diese beeindruckende Autorin gehört? Und wie habe ich sie entdeckt? Durch Truman Capote? Oder eine Besprechung in der Süddeutschen Zeitung? Ich weiß es nicht mehr, und Herr Klappentexter vermutet: „Ich denke, es war beides.“

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Frieden mit dem Leben. Und dem Tod.

So sieht der Winter in Minnesota aus. Foto: Noah Newbauer auf Pixabay

Wie ist es, einen Menschen zu pflegen? Noch dazu den eigenen Sohn. Nicht die Mutter, nicht den Vater. Denn der ist es in Richard Fords Valentinstag, der seinen todkranken Sohn pflegt. Und dieser Vater ist als 74jähriger schon genug mit seinen eigenen Malaisen beschäftigt. Sein Name: Frank Bascombe.

Ein alter Bekannter aus früheren Werken von Ford. Ähnlich wie wir´s von Updike mit seinem Rabbit kennen, lässt uns auch Richard Ford immer wieder teilhaben an den verschiedenen Lebensabschnitten seines Protagonisten.

Bascombe ist ja in einem Alter, in dem man sich längst zur Ruhe gesetzt hat. Wenn das bei ihm so wäre, gäb´s nur nix mehr zu erzählen. Statt sich vor dem Kaminfeuer die Füße zu wärmen, arbeitet Frank weiterhin im Immobiliengeschäft. Huh, eigentlich eine eklige Branche.

Über seinen Chef sagt er: „Mike Mahoney, mein Möchtegern-Boss, ist wie immer ein halbwegs liebenswerter, quasi-ehrlicher Unternehmerdynamo, der es zu seinen angeborenen Vorzügen zählt, dass all seine geldgierigen Beutezüge auch das Leiden anderer lindern, indem er sie von ihren Lasten befreit – ihren Häusern (…).“

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Schlangen unter blauem Himmel.

Stellt Euch sich vor, Ihr habt Lust auf einen Drink. Doch statt in die Bar geht Ihr in die Zoohandlung nebenan und kauft Euch einen Tigerpython. Würdet Ihr nie tun? Nun, dann empfehle ich die Lektüre von T. C . Boyles neuem Roman „Blue Skies“. Denn darin machen eigentlich ganz normale Menschen ziemlich verrückte Dinge.

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Die Welt in die Luft jagen.

Was kann Literatur? Was darf Literatur? Zwei Fragen, die nach der Lektüre der beiden aktuellen Romane von Cormac McCarthy unmittelbar auftauchen. Denn Der Passagier und Stella Maris sprengen den üblichen Rahmen zeitgenössischer Literatur, wie wir sie aus den heutigen Feuilletons und Bestsellerlisten kennen.

Ein Protagonist, dessen Schicksal es zu sein scheint, Flugzeugwracks zu entdecken, in denen sich noch die Leichen der Passagiere befinden. Eine junge, hochbegabte Frau, die seit Kindheitstagen weiß, dass sie anders ist als alle anderen. Sehr anders.

Nicht zu vergessen: Es sind Geschwister, die sich – im wahrsten Sinne des Wortes – unsterblich ineinander verliebt haben.

Und dann wäre da noch dieser Zwerg, der eine nicht unwichtige Rolle spielt. Meistens taucht er zusammen mit einer Showtruppe auf, die unter anderem Minstrel Shows aufführen. Ja, da sind die mit dem Black Facing.

Sagen wir´s so: Sowas würde heutzutage jeder Agent, jeder Lektor und jeder Verlag empört ablehnen. Außer, du bist Cormac McCarthy, der diesen Wahnsinn mit fast neunzig Jahren geschrieben hat. Wofür wir ihm nicht dankbar genug sein können.

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Unterwegs auf der Straße des Lebens.

„Ich glaube fest, dass der liebe Gott für jeden Einzelnen von uns einen Auftrag hat, einen Auftrag, der unsere Schwächen mit Nachsicht behandelt und unseren Kräften angepasst ist und der auf jeden persönlich zugeschnitten ist. Aber mit diesem Auftrag kommt Gott nicht unbedingt zu uns und präsentiert ihn wie einen Kuchen mit Zuckerguss.“ Es liegt also ganz an uns, dies herauszufinden oder zu schauen, was uns das Leben für Aufgaben gibt, um ebendiesen Lebenspfad zu folgen.

Um solche Schwächen, aber auch um Träume und Hoffnungen dreht sich das neue Buch von Amor Towles. „Lincoln Highway“ ist ein Schwergewicht und ich kann mir gut vorstellen, dass einige vor dem Umfang zurückschrecken. Sollte dies der Fall sein, dann bleibt bitte kurz.

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Freunde und andere Prüfungen.

Manchmal sind es die kleinen Dinge, die ein sicher geglaubtes Leben aus dem Gleichgewicht bringen können. Bei »Unter Freunden« von Cynthia D’Aprix Sweeney ist es ein Ehering. Als Flora zum Schulabschluss ihrer Tochter ein Foto aus alten Tagen sucht, stößt sie in der Garage auf den Ring, den ihr Mann angeblich beim Schwimmen verloren haben soll. Nun liegt er versteckt in der Garage und blitzt ihr entgegen. Was hat das zu bedeuten?   

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Fantasiewelten verschenken.

© Illustration Kat Menschik / Galiani Berlin

So eingeschränkt wir in diesem Jahr auch waren, für uns Leser*innen gab es immer ein Schlupfloch – die Bücher! Unsere bibliophilen Freunde haben uns stets die Türen offen gehalten, schließlich kennt die Welt der Fantasie keine Grenzen. Dank vieler wunderbarer Bücher sind wir dem Alltag entflohen, haben außergewöhnliche Entdeckungen machen können und auch Hoffnung geschöpft. Nachdem Herr Klappentexter bereits seine Empfehlungen präsentiert hat, zeige ich euch heute eine geschenkfreudige Auswahl:

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Der Hundertjährige, der aus dem Sixpack stieg.

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Man stelle sich nur mal vor, Charles Bukowski wäre tatsächlich hundert Jahre alt geworden. Gut, wahrscheinlich würde er dann im Rollstuhl sitzen, und Linda müsste ihn zum Wettschalter auf der Pferderennbahn schieben. Auf das Jubiläum würde er mit einem Achselzucken reagieren und jedem unangekündigten Besucher eine eiskalte Bierdose entgegenschleudern. Ein lebendiger, hundertjähriger Bukowski wäre tatsächlich ein medizinisches Wunder, eine Fackel im Sturm des Gesundheitswahns, ein Sieg gegen den allgegenwärtigen Stumpfsinn.
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Optimismus in Zeiten des Virus.

Bild von Chickenonline auf Pixabay

Es gibt Bücher, bei deren Lektüre ganz viel mit einem passiert. „Die Optimisten“ von Rebecca Makkai ist so eines: Unzählige Gedanken und Gefühle krabbeln wie Ameisen durch Geist und Körper, während man atemlos und zutiefst berührt Seite um Seite umblättert. Eine wahrlich bewegende Geschichte. Beginnen wir mit einem nachdenklichen und gleichsam optimistisch stimmenden Zitat: »Optimisten wie wir haben schon etwas durchgemacht und stehen trotzdem jeden Tag auf, weil wir glauben, wir könnten verhindern, dass es noch einmal passiert. Oder wir tricksen uns einfach aus, um das zu glauben.« Aus diesen Zeilen spricht nichts weniger als ein unerschütterlicher, starker Überlebenswille. Und so einen Willen braucht, denke ich, jeder hin und wieder in Momenten, wo das Leben finster und bedrohlich erscheint. Weiterlesen