Bis an die äußerste Grenze bin ich mit Karine Tuil gegangen. Ich wusste, was mich in „Diese eine Entscheidung“ erwartet – und doch wurde es am Ende heftiger als gedacht. Da sitze ich nun. Bin sprachlos, machtlos, suche nach Wörtern, um diesen grandiosen wie gleichsam erschütternden Roman zu reflektieren.
Es gibt nicht viele Bücher, die gleichzeitig Verzweiflung und Hoffnung vermitteln. „Unsre verschwundenen Herzen“ von Celeste Ng ist eines dieser seltenen Werke.
Dabei beginnt dieser Roman wirklich beklemmend, so dass ich ihn fast aus der Hand gelegt hätte. Aber ich blieb und das war gut so. Einerseits haben wir von sogenannter Wohlfühlliteratur schon mehr als genug, andererseits hat mich Ngs rhythmische Sprache geradezu magisch in den Roman und seine Story gezogen.
Ng hat mich schon mit ihren bisherigen Werken („Kleine Feuer überall“ und „Was ich euch nicht erzähle“) beeindruckt, so dass mir die Autorin mit ihrer mutigen Stimme vertraut war. Eine Stimme, die auf Ungerechtigkeiten hinweist und an Menschlichkeit appelliert. Das macht sie sehr unaufdringlich, zart und doch einnehmend. Die Bücher von Celeste Ng lassen dich nie kalt, ganz im Gegenteil: Du bleibst berührt und im besten Sinne belesener zurück.
Wie angekündigt, möchte ich euch heute die Autorin Leona Stahlmann näher vorstellen. Leona Stahlmann wurde 1988 geboren, lebt als Schriftstellerin und Drehbuchautorin am Staffelsee. Für ihre literarischen Arbeiten wurden sie mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet. Nach ihrem viel beachtetem Debüt „Der Defekt“ ist nun ihr zweiter Roman „Die ganzen belanglosen Wunder“ bei dtv erschienen.
Gibt es so etwas wie die Summe eines Lesens? Und kann ich das jetzt überhaupt schon sagen? Mit Anfang 40? Möglich. Denn genauso empfinde ich „Diese ganzen belanglosen Wunder“ von Leona Stahlmann. In ihrem Roman finde ich meine ganzen Lektürevorlieben vereint: die Leidenschaft für eine poetische, warmherzige Sprache, fein gewürzt mit pointierten Noten und lebensklugen bis nachdenklich-stimmenden Tönen. Daneben schauen mich diese sonderbaren, liebenswerten Figuren an, die ich im Geiste umarmen möchte.
Dieses Buch zählt für mich zu einem der besten aus der aktuellen deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Warum? Nun, lasst uns gemeinsam in dieses Sprachwunderwerk hineinschauen.
Der Sommer ist nicht mehr zu übersehen und förmlich auf unserer Haut zu spüren. Überall strahlen Früchte, streicht der Wind durch hohe Gräser, ein Flirren und Summen liegt in der Luft. Und über allem die Erleichterung: Endlich Wärme, endlich Erholung!
Und da viele von euch gerade ihren Urlaub antreten oder ihn schon am Horizont aufleuchten sehen, ist es Zeit für unser Sommer-Spezial.
Seit einem Jahr schleiche ich um dieses Buch und habe es nun endlich gelesen: »Zwischen Du und Ich« von Mirna Funk ist – ebenso wie ihr Debüt »Winternähe« – keine leichte Kost. Aber wichtig und absolut lesenswert. Gleich am Anfang stellt sich mir die Frage: Sind Traumata vererbbar? Und wie damit umgehen, wenn sich die eigene Familie lieber den Mantel des Schweigens überzieht, statt über die Wunden der Vergangenheit zu sprechen?
Für gewöhnlich bespreche ich ja keine Bestseller. Keine Regel ohne Ausnahmen – so geschehen neulich bei Benedict Wells und heute erneut. Warum? Ganz einfach – auch sogenannte Bestseller sind hin und wieder richtig gute Bücher. Und liegen mir am Herzen. In diesem Fall sind es zwei stille Titel, denen trotzdem eine enorme und inspirierende Kraft innewohnt.
Tja, da dachte man nun, man wäre bis ans Ende seiner Tage ein staatlich geprüfter Großstadtneurotiker. Aber dann veränderten sich die Städte und wurden zu Kampfzonen. Besonders die besonders große Stadt, in die ich mich schon als Kind verknallt und die ich immer wie den Weihnachtsbaum angestaunt hatte. Wie haste dir verändert! Vom Abenteuerspielplatz zum Monopoly für alle Spielarten von Kapitalisten. »Keiner, der vom Profitsystem profitiert, vermag darin ohne Schande zu existieren.« Selbstverständlich hat Adorno recht. Und ich werde zu einem späteren Zeitpunkt an dieser Stelle noch ausführlicher auf diesen geistreichen und scharfsinnigen Mann zurückkommen. In jedem Fall ist das derzeitige Treiben des Turbokapitalismus nun mal der Lauf der Dinge, auch wenn es ein unangenehmer und ungerechter Lauf ist. Weiterlesen →
Bisher symbolisierten die 50er und 60er Jahre für mich vor allem eins: ein unglaubliches Stilvermögen. Ganz oben thront Audrey Hepburn, die mich schon als junges Mädchen mit ihrer Rolle als Holly Golightly in Frühstück bei Tiffany für immer geprägt hat. Einerseits durch ihre entzückende Ausstrahlung, andererseits durch die umwerfende Kleidung. Diese schlichte Eleganz – unaufdringlich und überwältigend zugleich. Oder nehmen wir die Automobile aus diesen Dekaden; Herr Klappentexter machte mich mit der atemberaubend schönen Welt der Oldtimer bekannt, zum Beispiel einem Auto, das Göttin genannt wird. Umwerfend und unerreicht ist dieser Citroën DS. Neben all der Raffinesse und Augenfreude steht diese Epoche jedoch auch für eine der wichtigsten politischen Bewegungen auf der ganzen Welt. Auch in den Vereinigten Staaten tat sich in diesen Jahren viel: Die Bürgerrechtsbewegung Civil Rights Moments erreichte ihren Höhepunkt, und die unglaublichen Demütigungen der Rassentrennung begannen endlich zu bröckeln. Aus dem Kampf für die Bürgerrechte der Afroamerikaner und gegen die Rassentrennung sind einzigartige literarische Stimmen hervorgegangen, denen ich mich heute widmen möchte. So wurde die angloamerikanische Literatur für mich zu der Entdeckung des vergangenen Jahres. Weiterlesen →
Der Titel des Buches leuchtet wie eine Fackel, und ich staune erneut über die Macht der Sprache. Ein einziges Wort nur, das die Kraft einer tröstenden Hand hat und zärtlich über eine blasse Wange streicht: Zuversicht. Die wünscht sich die Autorin Mira Magén für ihre Protagonistin in ihrem gleichnamigen Roman. Das spüre ich mit jeder feinfühlig geschriebenen Zeile, und deshalb konnte ich dieses Buch auch nicht mehr aus der Hand legen. Die Sätze aus warmen und bildreichen Wörtern erinnern mich an eine kleine, schöne, aber fleischfressende Pflanze, die zuschnappt, sobald sich ihr etwas Lebendiges nähert. In dem Fall sind es meine Augen. Sofort bemerke ich, dass ich bei Mira Magén eine Anziehung finde, die mich an Zeruya Shalev erinnert. Denn israelische Literatur hat für mich einen ganz besonderen Sound. Wie soll ich ihn beschreiben? Vielleicht kraftvoll, ja, dies scheint mir die richtige Bezeichnung. So vibrierten die Sätze immer noch durch meinen Kopf, wie der Bass aus einem Club am Ende der Straße. Und wo ich hier schreibend sitze, frage ich mich: Wie mag es Nava jetzt wohl ergehen? Weiterlesen →