Schlagwort-Archive: Klassiker

Frisch wie ein Morgen in den Schären.

Ob Irmgard Keun den Roman „Die Sekretärinnen“ von Elin Wägner gelesen hat? Auszuschließen ist es nicht, denn Wägner hat von 1882 bis 1949 gelebt und war nicht nur schriftstellerlisch äußerst aktiv. Die schwedische Journalistin hat sich seinerzeit für das Frauenwahlrecht stark gemacht und gehört zu den Gründerinnen von Save the Children. Das hätte der Keun ebenso gefallen wie auch die Literatur der schwedischen Autorin. Als große Keun-Freundin war ich jedenfalls sofort begeistert. 

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Fiebertraum im Fahrstuhl.

Today open: Club der toten Dichter. Und wir begrüßen nur einen Gast: John Dos Passos. Mit Manhattan Transfer hat der amerikanische Autor 1925 ein Jahrhundertwerk vorgelegt, Die Geburtsstunde des Großstadtromans. Erneuter Siegeszug des Bewusstseinsstroms, bereits drei Jahre zuvor im Ulysses erprobt. Nochmal vier Jahre später Döblin mit Berlin, Alexanderplatz. Kanon der literarischen Kolosse.

Punch! Manhattan Transfer hat eine Wucht, eine Kraft, die dich als Leser bereits mit den ersten Sätzen packt und über fünfhundert Seiten lang nicht loslässt.

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Augensterne.

© Martina Hoffmann

Wir befinden uns auf der Zielgeraden Richtung Weihnachten, Zeit also für meine letzten Empfehlungen zum Fest der Bücher. Was soll man auch sonst verschenken? Mein Motto dieses Mal lautet – Augensterne. So reise ich mit euch ins Berlin der 30er Jahre und treffe dort bekannte Größen wie Mascha Kaléko, Kurt Tucholsky und noch viele andere. Zudem werdet ihr drei bemerkenswerte Autorinnen treffen, einer Leidenschaft Haruki Murakamis lauschen und euch von hinreißenden Illustrationen verzaubern lassen. Apropos – schauen wir noch mal kurz nach Berlin: Von dort kommt das zauberhafte Startbild. Hier lebt und arbeitet Martina Hoffmann, eine äußerst kreative Art Direktorin, die zudem animierte Kurz- und Werbefilme produziert. Bekannt ist sie auch für ihre einzigartigen Kalender, welche schon oft bei mir einen Ehrenplatz bekommen haben.

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Weihnachten 2021: As last Year?

Fast hätte ich den Einführungstext vom letzten Jahr genommen – aktuell wäre er immer noch. Die Pandemie ist ebenso präsent wie die tiefen Risse im Porzellan unserer Gesellschaft. Gut, die ersten Adventslichter werden angezündet, aber ob sie ausreichen, einen Lichtstreifen am Horizont zu erzeugen? Vielleicht geht es ja endlich politisch voran – wenn auch nicht so, wie es sich viele wünschen und auch notwendig wäre. Bleiben wir also verhalten optimistisch und wenden uns den Freuden der Literatur zu. Da gab es in diesem Jahr wieder einige Leuchten, die ich euch nicht vorenthalten möchte. So zerschlagen wir zu Weihnachten kein Porzellan, sondern beschenken uns gegenseitig mit geistiger Nahrung.

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150 Jahre Proust. Auf der Suche nach dem Mythos.

Das Universum schlägt zurück. 

Vor 150 Jahren wurde Marcel Proust geboren – lassen wir sie also beginnen, die Proust-Festspiele. Ein derartiges Jubiläum lässt sich natürlich kein Verlag und schon gar kein Proust-Kenner entgehen, so dass wir in diesem Jahr die Auswahl unter vielen Neuerscheinungen, Wiederveröffentlichungen und neuen Übersetzungen haben. 

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Pferde und Bücher. Gibt´s nur zu Weihnachten.

IMG_3450Tja, da dachte man nun, man wäre bis ans Ende seiner Tage ein staatlich geprüfter Großstadtneurotiker. Aber dann veränderten sich die Städte und wurden zu Kampfzonen. Besonders die besonders große Stadt, in die ich mich schon als Kind verknallt und die ich immer wie den Weihnachtsbaum angestaunt hatte. Wie haste dir verändert! Vom Abenteuerspielplatz zum Monopoly für alle Spielarten von Kapitalisten. »Keiner, der vom Profitsystem profitiert, vermag darin ohne Schande zu existieren.« Selbstverständlich hat Adorno recht. Und ich werde zu einem späteren Zeitpunkt an dieser Stelle noch ausführlicher auf diesen geistreichen und scharfsinnigen Mann zurückkommen. In jedem Fall ist das derzeitige Treiben des Turbokapitalismus nun mal der Lauf der Dinge, auch wenn es ein unangenehmer und ungerechter Lauf ist.
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Trolle Bücher – das Finale.

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Norwegen hat eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht. Gehörte das Land im hohen Norden nach dem Zweiten Weltkrieg noch zu den Armenhäusern und klassischen Auswanderungsländern in Europa, so strotzt es heute vor Reichtum. Und ziemlich glücklich sollen die Menschen da oben auch noch sein. Wie das? Die Antwort ist kurz, schwarz und schmutzig: Öl. Vor fünfzig Jahren wurden die ersten Ölvorkommen am Boden der Nordsee entdeckt, und das sogenannte schwarze Gold fließt immer noch in Strömen. Aber eines Tages wird es versiegen, zudem hat das Zeug eh nicht mehr den besten Ruf. Aber dafür hat der Norwegische Staat vorgesorgt und bereits rund 800 Milliarden Euro für die Zeit nach dem Öl auf die hohe Kante gelegt. Das sollte erstmal reichen. Auch, um die Nachbarn auf Distanz zu halten, die Schweden, die schon immer alles besser wussten.
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Nur für Erwachsene.

Hesse Burkhard Neie_SV

Bild: © Burkhard Neie/Suhrkamp Verlag

»Hesse! Unlesbar, wenn man kein Jugendlicher mehr ist.« Ich höre ihn noch, den berühmten Literaturpapst, wie er dieses Urteil in seiner ihm eigenen Urteilsverkündungsprosa ausrief. Ebenso gut erinnere ich mich, wie ich von einem befreundeten Büchersammler durch seine gesamte, mit tausenden von Werken sogenannter bedeutender Autoren bis unter die Decke zugesammelten Wohnung verfolgt wurde und er genauso vehement wie der Bücherpapst vorwurfsvoll predigte: »Hesse? Hast du als Erwachsener etwa noch Hesse gelesen?«
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Truman Capote. Immer und immer wieder.

Truman Capote ist einer meiner großen literarischen Helden und hat mein Stilbewusstsein im doppelten Sinne wachgeküsst. Als ich »Frühstück bei Tiffany« mit der bezaubernden Audrey Hepburn sah, war’s das erste Mal um mich geschehen. Mit zarten vierzehn Jahren wusste ich noch nicht, dass es sich um eine Literaturverfilmung handelt. Und ich den Autor Truman Capote erst einige Jahre später entdecken würde. Ich saß einfach nur mit glänzenden Augen vorm Fernseher und war beschwipst von all dem Schönen und dem Stil, besonders von der bezaubernden Audrey. Kurz spürte ich ein Ziehen in meiner Herzgegend und hatte zum ersten Mal das Gefühl, in einer falschen Zeit geboren zu sein. Ich wollte in den Film hineinkriechen und die gleiche Kleidung wie Holly Golightly tragen. Die unglaublich schöne schlichte Eleganz! Und die frechen, charmanten Dialoge. Gleichzeitig war da die leichte Melancholie, die wie ein Lufthauch katzengleich um die Ecke schleicht. Das Zusammenspiel war unglaublich faszinierend, und die kleine Klappentexterin glücklich. Kein Wunder, dass ich den Film bis heute unzählige Male gesehen habe. Weiterlesen