Schlagwort-Archive: Rowohlt Verlag

Die Welt in die Luft jagen.

Was kann Literatur? Was darf Literatur? Zwei Fragen, die nach der Lektüre der beiden aktuellen Romane von Cormac McCarthy unmittelbar auftauchen. Denn Der Passagier und Stella Maris sprengen den üblichen Rahmen zeitgenössischer Literatur, wie wir sie aus den heutigen Feuilletons und Bestsellerlisten kennen.

Ein Protagonist, dessen Schicksal es zu sein scheint, Flugzeugwracks zu entdecken, in denen sich noch die Leichen der Passagiere befinden. Eine junge, hochbegabte Frau, die seit Kindheitstagen weiß, dass sie anders ist als alle anderen. Sehr anders.

Nicht zu vergessen: Es sind Geschwister, die sich – im wahrsten Sinne des Wortes – unsterblich ineinander verliebt haben.

Und dann wäre da noch dieser Zwerg, der eine nicht unwichtige Rolle spielt. Meistens taucht er zusammen mit einer Showtruppe auf, die unter anderem Minstrel Shows aufführen. Ja, da sind die mit dem Black Facing.

Sagen wir´s so: Sowas würde heutzutage jeder Agent, jeder Lektor und jeder Verlag empört ablehnen. Außer, du bist Cormac McCarthy, der diesen Wahnsinn mit fast neunzig Jahren geschrieben hat. Wofür wir ihm nicht dankbar genug sein können.

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Weihnachtsspezial 2022 – Auf der Suche nach Wärme.

Erinnert ihr Euch noch? 2021 hab ich geschrieben, dass ich fast den Einführungstext vom Jahr zuvor genommen hätte. Und diesmal? Gut, das Virus ist nach wie vor virulent, besonders bei Menschen, die dem armen Ding alles Mögliche andichten. Oder den Maßnahmen gegen diese nach wie vor für bestimmte Gruppen durchaus todbringende Krankheit. Dennoch war in 2022 vieles anders. Verantwortlich dafür ist der bereits zum Totensonntag thematisierte Herr P. aus M. in R. Und Tote, nun, die hat der Möchtegern-Napoleon in reichlicher Anzahl aufm Gewissen.

Aber da war ja noch was mit Energie und Heizen und so. Hilfe, wer hilft uns? Natürlich die Griechen, die uns einladen, bei ihnen den Winter zu verbringen, damit wir nicht frieren. Danke, das ist wirklich nett. Aber nicht jeder kann sich den Trip in die mediterrane Sonne leisten. So bleibt uns nur, uns selbst und unseren Geist an guten Büchern zu wärmen. Aber bitte, bitte, nicht ins Feuer werfen. Weil, da wären wir bei Herrn H. aus B. in Österreich, dem braunen Schreihals. Lasst uns lieber still daheimbleiben und Bücher lesen, die inneren Frieden bei uns auslösen.

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Kriminell gut!

Krimi ist nicht gleich Krimi. Nachdem ich zuletzt zahlreiche, spannende Sachen gelesen habe, bin ich erst so richtig auf die Vielfältigkeit dieses Genres gestoßen.

Da gibt es den klassischen Thriller, das nicht minder klassische Crime Noir, die Großstadtkrimis, zuletzt viele regionale Krimis, und dann noch die Underdogs, wie auch die bekannten Größen. So konnte ich neue Lieblingsverlage für mich entdecken, den Polar Verlag zum Beispiel. Nun ist es an der Zeit, euch im Rahmen eines Krimi-Spezials dieses aufregende Spannungsfeld mit all seinen Facetten zu präsentieren. Seht es als Hommage an dieses große, großartige Genre.

Ganz besonders freue ich mich, dass ich Thomas Wörtche für ein Interview gewinnen konnte. Der Publizist ist ein ausgewiesener Experte auf diesem literarischen Gebiet und hat bei Suhrkamp seine eigene Krimi-Reihe. Bisher hat mich nie ein Buch aus seiner Edition enttäuscht.
Candice Fox zählt zu einer meiner großen Entdeckungen, die ich Thomas Wörtche zu verdanken habe. Wie schafft er das, stets wirklich gute Krimi-Literatur an Land zu ziehen? Wie geht der Experte an die Auswahl heran? Da die Klappentexterin von Natur aus neugierig ist, ist sie dem nachgegangen. Das Interview gibt es in den kommenden Tagen an dieser Stelle. Nun lasst erst einmal die Bücher sprechen.

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Die besten Seiten des Sommers.

Der Sommer ist nicht mehr zu übersehen und förmlich auf unserer Haut zu spüren. Überall strahlen Früchte, streicht der Wind durch hohe Gräser, ein Flirren und Summen liegt in der Luft. Und über allem die Erleichterung: Endlich Wärme, endlich Erholung!

Und da viele von euch gerade ihren Urlaub antreten oder ihn schon am Horizont aufleuchten sehen, ist es Zeit für unser Sommer-Spezial.

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Fiebertraum im Fahrstuhl.

Today open: Club der toten Dichter. Und wir begrüßen nur einen Gast: John Dos Passos. Mit Manhattan Transfer hat der amerikanische Autor 1925 ein Jahrhundertwerk vorgelegt, Die Geburtsstunde des Großstadtromans. Erneuter Siegeszug des Bewusstseinsstroms, bereits drei Jahre zuvor im Ulysses erprobt. Nochmal vier Jahre später Döblin mit Berlin, Alexanderplatz. Kanon der literarischen Kolosse.

Punch! Manhattan Transfer hat eine Wucht, eine Kraft, die dich als Leser bereits mit den ersten Sätzen packt und über fünfhundert Seiten lang nicht loslässt.

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Vom Leben und Überleben.

Für gewöhnlich bespreche ich ja keine Bestseller. Keine Regel ohne Ausnahmen – so geschehen neulich bei Benedict Wells und heute erneut. Warum? Ganz einfach – auch sogenannte Bestseller sind hin und wieder richtig gute Bücher. Und liegen mir am Herzen. In diesem Fall sind es zwei stille Titel, denen trotzdem eine enorme und inspirierende Kraft innewohnt.   

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Es ist aus. Fangen wir an.

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Der unbestechliche Autor: Jonathan Franzen / Foto: © Beowulf Sheehan

Sozusagen aus aktuellen und technischen Gründen bleibt die Ethik zunächst auf diesem Blog. Ist ja auch nicht fehl am Platze. Beginnen wir gleich mit einem Bestseller. Dann auch noch mit einem, auf den wir uns alle einigen können, kollektiv bei jedem Wort, jedem Satz und jeder Konklusion zustimmend mit dem Kopf nicken können. Genau so einer ist Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen? von Jonathan Franzen. Aber auch nur auf den ersten Blick, schließlich haben wir es bei Franzen mit einem Intellektuellen zu tun, der vor unbequemen bis radikalen Forderungen nicht zurückschreckt.
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Man kann nicht immer gewinnen.

© George Steinmetz, Über den Dächern von New York, DUMONT Kalenderverlag

Wenn etwas Großes zu Ende geht, ist nichts mehr wie es war. So auch bei 1200 Seiten Literatur, die ich gerade beendet habe. Auf der einen Seite ein Seufzer der Erleichterung, der aus den Tiefen des Bauches nach draußen strömt. Auf der anderen eine Träne, die über ein erhitztes Gesicht läuft und kurz für Abkühlung sorgt. Der Blick schweift durch das Fenster nach draußen, die Augen halten sich fest am frischen Grün der Bäume, am friedvollen Blau des Himmels. Das Jahr ist noch nicht einmal halb rum, aber ich habe das Gefühl, schon jetzt das wohl umfangreichste und erstaunlichste Buch dieses Literaturjahres gelesen zu haben. Weiterlesen

Talking about Georgien mit Frank Menden.

Heute gibt´s weitere Georgien-Tipps von einem belesenen Literaturkenner: Frank Menden. Der geschätzte Buchhändlerkollege arbeitet bei stories! Die Buchhandlung in Hamburg. Frank betreibt keinen eigenen Blog, sondern ist wie Maria-Christina Piwowarski sehr aktiv auf Instagram. Beide inspirieren mich immer wieder aufs Neue mit Ihren Literaturtipps. Als ich sah, dass Frank einige georgische Titel gelesen hatte, wollte ich mehr von ihm wissen. So verrät er mir im Interview, welche Erfahrungen er beim Lesen georgischer Literatur gesammelt hat, und welche Bücher er aus dem diesjährigen Gastland der Buchmesse ganz besonders empfiehlt. Weiterlesen

Die Kraft der Listen.

listensammlerin

Die Listensammlerin von Lena Gorelik ist so warm wie meine Lieblingsstrickjacke. Von Anfang fühlte ich mich in dem Roman geborgen. Deshalb ist es also kein Wunder, dass meine Augen hell leuchten, sobald ich von diesem wunderbaren Roman spreche. Lena Gorelik konnte mich seinerzeit mit ihrem Buch Lieber Mischa: … der Du fast Schlomo Adolf Grinblum geheißen hättest, es tut mir so leid, dass ich Dir das nicht ersparen konnte: Du bist ein Jude vollends begeistern. Auch dieses Mal hat sie mir unvergessliche Lesestunden beschert. Und sie hat mich inspiriert. Immer noch lächle ich, nein, ich grinse, denn ich habe mich nicht für eine Rezension im gewöhnlichen Sinne entschieden, sondern in einer anderen Form. Die Listensammlerin hat die Listensammlerin in mir auf liebevolle und phantasievolle Weise angestupst. Deshalb öffne ich für euch dieses schöne Buch in Form von ein paar Listen.

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