Fürchte dich nicht, Franz!

Autor: Franz Kafka, 1914 vor dem „Oppelthaus“|Foto: © Archiv S. Fischer Verlag.

Am 3. Juni 1924 ging die Sonne spät unter, das Meer des Stumpfsinns gefror endgültig. Der Tag, an dem Franz Kafka starb. Und der Mythos lebendig wurde.

Hundert Jahre her, und die großen Kafka-Festspiele haben bereits begonnen. Legionen von Lektoren und Literaten haben sich in Stellung gebracht und feuern aus allen Federn. Kommt und seht! Das Vermarktungs-Varieté wartet mit einem Programm auf, das einem Spektakel gleichkommt.

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Eine kulinarische Weltreise an die Nordsee.

Ich habe bereits einige grandiose Bücherevents erlebt. Aber die Book-Release-Party bei „salt & silver“ in Sankt Peter-Ording war definitiv ein echtes Highlight. Der unabhängige Wiener Brandstätter Verlag sowie die beiden herzlichen Weltenbummler Cozy und Jo hatten eine ausgewählte Gruppe an die Nordsee in ihr Lokal eingeladen, um dort Ihr neues Kochbuch „salt & silver am Meer“ vorzustellen.

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Liebe in einer vergessenen Katastrophe.

Fatin Abbas |Foto: © Marie Constantinesco

Ein unruhiges, instabiles und heißes Land in Afrika. Mittendrin ein Biotop, in dem Menschen aus unterschiedlichen Nationen friedlich zusammenleben. Trotz aller Differenzen gelingt ihnen ein Alltag ohne Hass und Gewalt. Dieses Glück, sofern man davon reden kann, ist spürbar. Doch die Basis ist fragil, alles kann schnell vorbei sein. Und das ist es dann auch. Als eines Tages eine verbrannte Leiche aufgefunden wird, gerät das Leben von Layla, Dena, William, Alex und Mustafa ins Wanken. Aber halt, bleibt bei mir, bei uns, denn „Zeit der Geister“ von Fatin Abbas ist mutig und bemerkenswert, absolut lesenswert wie schön. Trotz allem. Oder gerade deshalb?

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Von einem Verlierer, der ein Gewinner ist.

Barbara Kingsolver | © Foto: Evan Kafka

„Ich sagte, dass mich noch nie jemand gefragt hatte, was ich werden wollte, wenn ich groß war, darum wüsste ich es nicht. Hauptsache, noch am Leben.“ Wenn es einen Satz gibt, der exemplarisch für die Hauptfigur des Romans „Demon Copperhead“ steht – dann dieser. Wann hatte ich zuletzt mit einer literarischen Figur eine so enge Beziehung gehabt wie mit Demon? Ich weiß es nicht.

In jedem Fall spüre ich jetzt nach der Lektüre eine, sagen wir, literarische Melancholie. Abschied nehmen von einem Protagonisten, der mir ans Herz gewachsen ist. Gleichzeitig empfinde ich große Dankbarkeit für diese Begegnung und die Möglichkeit, euch nun von Demon zu erzählen. Für mich ist dieser Roman ein Meilenstein auf der Straße der vielen Neuerscheinungen.

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Licht im dunklen Flur der Vergangenheit.

Mit einigen Büchern verhält es sich wie mit Menschen. Zu manchen haben wir sofort eine Verbindung, sie ist einfach da wie der Sonnenkuss auf unserer Nasenspitze. Wohlig warm, angenehm vertraut, obwohl wir uns noch gar nicht kennen. So ist es mir mit „Die lichten Sommer“ von Simone Kucher ergangen, nachdem ich die ersten Zeilen vorab lesen durfte. Nun erscheint das Debüt, und ich bin mindestens genauso aufgeregt wie die Autorin und der Kjona-Verlag.

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Wenn Wunden der Kindheit aufbrechen.

Wer unserem Blog seit längerer Zeit folgt, kennt bereits einige meiner liebsten Autorinnen und Autoren. Erscheint von ihnen ein neues Buch, stehe ich aufrecht und munter wie ein neugieriges Erdmännchen. Marica Bodrožić ist so eine langjährige Weggefährtin. Daher war meine Freude groß, als ihr neues Buch „Mystische Fauna“ in Sichtweite kam.

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Von Neben-, Haupt- und Vorsätzen.

Der Mensch scheint ein natürliches Bedürfnis nach innerer Reinigung zu haben. Sozusagen die Vorstufe zur Erlösung.

Und der beste Zeitpunkt für ein Entrümpeln der Gewohnheitenstube ist stets der Jahreswechsel. Ein neues Jahr soll nicht nur froh sein, sondern möglichst auch jedem von uns bei bester Gesundheit halten, Glück sowieso bringen und natürlich vor Erfolg glühen – ob in der Liebe oder im Beruf. Da wären wir schon beim Geld – her mit dem Lottogewinn, neues Jahr!

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Weihnachtsspezial 2023 Teil 2 – Mit offenen Armen.

Als Buchhändlerin werde ich in der Vorweihnachtszeit oft nach schönen Büchern gefragt, die in erster Linie einen Zweck zu erfüllen haben: Sie sollen dem Beschenkten guttun, ablenken vom Zustand der Welt und die Seele streicheln. Während Herr Klappentexter in seinem Weihnachtsspezial direkt hinschaut, was die Welt derzeit umtreibt und was sie vor allem jetzt bitternötig hat, schaue ich nach oben in den Bücherhimmel und danke für die vielen wunderbaren Fluchten. Trotzdem findet ihr in meinem Spezial vielseitigen Lesestoff und echte Entdeckungen.

Sozusagen in letzter Minute sind uns, fast wortwörtlich, zwei Bildbände ins Haus geschneit, die Herr Klappentexter euch unbedingt noch empfehlen möchte. So ist der zweite Teil unseres Weihnachts-Spezials auch – wie alles auf unserem Blog – als gemeinschaftliche Mission zu sehen.

Nun winken wir voller Liebe und Dankbarkeit euch allen zu. Es war so schön, dass ihr auch in diesem Jahr bei uns wart und unseren Blog mit wertschätzenden Kommentaren bereichert habt.

Wir wünschen euch allen ein friedvolles und bücherfeines Weihnachtsfest und einen geschmeidigen Rutsch ins neue Jahr!

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Weihnachts-Spezial 2023 – Wie wär´s mit mehr Solidarität?

Nie zuvor war die Menschheit besser informiert als heutzutage. Das Ergebnis nach einem weiteren Jahr: ein neuer Krieg. Und der Höhenflug einer populistischen Partei, die so gut wie keine Inhalte hat, sondern vor Vorbehalte. Schlimmer noch: Sie plädiert für eine Abkehr von der Solidarität und möchte Menschen, die bei uns Schutz suchen, die Tür vor der frierenden Nase zuschlagen. Ob diese Partei in ihrer Zentrale auch einen Weihnachtsbaum aufstellt? Wenn ja, sollte man sie dringend an das christliche Ideal der Humanität erinnern.

Humanität bedeutet nichts anderes als Empathie, Toleranz und Respekt gegenüber anderen Menschen. Woher sie auch immer kommen. Setzt allerdings voraus, dass man als Mensch einen anderen versteht und mitfühlt. Da müssen wir noch nicht einmal an den rechten Rand rutschen, auch in der sogenannten Mitte der politischen Parteienlandschaft wird laut gerufen: „Weg mit dem Bürgergeld!“ Von wegen, es würde die Menschen von der Arbeit abhalten. Da könnten sie auch gleich rufen: „Zurück zur Zwangsarbeit!“ Und Friedrich Merz kontrolliert das Ganze aus seinem eigenen Flieger, ob dann auch die faulen Finger fleißig am Ausbau der Autobahnen schuften. Mehr Autos, weniger Solidarität! Sollte den Slogan der CDU verkaufen und das Geld dann spenden. Zum Beispiel für die Tafeln, die mit immer weniger Geld immer mehr Menschen zu versorgen haben. Was kaum jemanden zu stören scheint. Was kann also helfen? Mehr Solidarität in jedem Fall. Und gute Literatur, die ja, wenn sie wirklich gut ist, zum Nachdenken anregt und Horizonte erweitern kann.

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Erneut entdeckt: die wunderbare Willa Cather.

Stets staune ich über die magischen Fäden, die mich immer wieder wie feine Nervenbahnen mit der Welt der Bücher verbinden und neue Verbindungen schaffen. Wobei sie manchmal gar nicht so neu sind, sondern nur bereits vorhandene Verbindungen neu knüpfen.

So geschehen bei Willa Cather. Vor Jahren habe ich mit großer Begeisterung ihren Roman „Mein ärgster Feind“ gelesen und auf dem seinerzeit noch taufrischen Blog besprochen. Damals fragte ich mich: Warum habe ich bisher so wenig über diese beeindruckende Autorin gehört? Und wie habe ich sie entdeckt? Durch Truman Capote? Oder eine Besprechung in der Süddeutschen Zeitung? Ich weiß es nicht mehr, und Herr Klappentexter vermutet: „Ich denke, es war beides.“

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