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Von beeindruckender Größe: der beste Freund des Menschen.

Neulich, so schien es, hatte mich die Schreibblockade gepackt. Jegliche Lust am Rezensieren war mit dem steifen Wind über die Nordsee verflogen. Bis zu jenem Sonntag, an dem ich Der Freund von Sigrid Nunez aufschlug und anfing, darin zu lesen. Von Seite zu Seite spürte ich mehr, wie die leuchtende Kraft der Inspiration aus ihrer unfreiwilligen Pause zurückkam.

Bald hüpfte ich durch die Wohnung und versuchte, die Horde herumgaloppierenden Pferden in meinem Geist zu zähmen. Nun sitze ich am Computer, die Pferde haben sich mittlerweile beruhigt, zupfen gemächlich am Gras und blicken mich mitunter an. Als würden sie sagen: Los mach schon! Schreib, was du zu schreiben hast. Also tippe ich, erst vorsichtig und schließlich immer schneller, Sätze über ein Buch, dem ich sehr viel verdanke. Weiterlesen

Pferde und Bücher. Gibt´s nur zu Weihnachten.

IMG_3450Tja, da dachte man nun, man wäre bis ans Ende seiner Tage ein staatlich geprüfter Großstadtneurotiker. Aber dann veränderten sich die Städte und wurden zu Kampfzonen. Besonders die besonders große Stadt, in die ich mich schon als Kind verknallt und die ich immer wie den Weihnachtsbaum angestaunt hatte. Wie haste dir verändert! Vom Abenteuerspielplatz zum Monopoly für alle Spielarten von Kapitalisten. »Keiner, der vom Profitsystem profitiert, vermag darin ohne Schande zu existieren.« Selbstverständlich hat Adorno recht. Und ich werde zu einem späteren Zeitpunkt an dieser Stelle noch ausführlicher auf diesen geistreichen und scharfsinnigen Mann zurückkommen. In jedem Fall ist das derzeitige Treiben des Turbokapitalismus nun mal der Lauf der Dinge, auch wenn es ein unangenehmer und ungerechter Lauf ist.
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Es gibt nichts, was weniger ist als nichts!

Können Spinnen und Schweine befreundet sein? Das hört sich irgendwie nach verdrehter Welt an. Der Mond hockt ja auch nicht bei der Sonne. Und doch ist das möglich. Auch wenn manch einer noch schief lächelt, es geht. Im Land der Phantasie. Genauer gesagt bei E.B. White und Garth Williams. Die haben ein wunderbares Buch darüber verfasst.

Die Geschichte beginnt damit, dass Fern ein Ferkel rettet. Ihr Vater würde das Tier am liebsten schlachten, weil es viel zu klein geraten ist. Aber das Mädchen protestiert: „Das Schwein kann doch nichts dafür, dass es so klein auf die Welt gekommen ist.“ Ihre Eltern hätten sie auch nicht umgebracht, wenn sie zu klein geraten wäre. Natürlich nicht, aber Menschen und Schweine seien ja was anderes. Nein, nicht für die mutige Fern. Und so überlebt das Schweinchen, bekommt sogar einen Namen verpasst, heißt ab dann Wilbur. Leider muss es nach den ersten beiden Monaten weg von Fern. Zum Onkel nebenan, der ebenfalls Schweine hält. Fortan besucht das aufgeweckte Mädchen ihren Wilbur. Der muss sich erstmal einfinden und fühlt sich bald unter den anderen Tieren einsam. Bis zu dem Abend, als ihn jemand aus der Dunkelheit fragt: „Brauchst du einen Freund, Wilbur?“ Das ist Charlotte, die Spinne. Sie wird nicht nur Wilburs beste Freundin, sondern gleichzeitig seine Lebensretterin.

Dieses Buch hat schon mehr als 50 Jahre überlebt. Zurecht! E.B.Wilbur hat zusammen mit dem Illustrator Garth Williams ein erstklassiges Kinderbuch geschrieben. Eine lebhafte Geschichte ist das – unwahrscheinlich lustig erzählt und mit zauberhaften Zeichnungen versehen. Jedes Tier wird mit seiner Eigenart dargestellt. Ich denke da beispielsweise an die Ratte Templeton. Sie ist nur auf sich bedacht und sucht ständig nach Fressen. Die anderen um sie herum interessieren sie nicht. Doch fügen sich auch solche Egoisten in die Gemeinschaft, wenn man richtig mit ihnen spricht. Charlottes Scharfsinn und Intelligenz sei Dank.

Die Sprache ist einfach, klar und sehr unterhaltsam. Es gibt Dialoge, die man öfter lesen möchte, wie die zwischen Wilbur und einem Lamm. Für das Ferkel gibt es „nichts, was weniger ist als nichts“, was das Lamm vorher herausposaunt hat. Nach Wilburs Erläuterungen ist es platt als hätte man das Lamm durch den Fleischwolf gedreht. Zumindest fehlen dem Tier die Worte und so ruft es aus seiner Verzweiflung: „Ach, sei doch still!“

Neben all dem Miteinander vermittelt das Buch eine besondere Botschaft: Selbst unterschiedliche Wesen können friedlich zusammenleben. Man sollte jeden mit seinen Macken akzeptieren, machmal vielleicht laut grunzen, aber jeden seins machen lassen. Und welch Geschenk ist es, wenn man einen guten Freund gefunden hat! Jemand, der einen versteht und einem zuhört.

Es macht sehr viel Freude das Buch zu lesen, dass ich mich oft ertappt habe, wie ich selbst eigenartige Geräusche von mir gegeben habe, ein Grunzen hier, ein Schnattern dort. Nicht nur das: Zum Schluss hatte ich sogar weniger Angst vor Spinnen. Nur ein bisschen. Ein bisschen ist immerhin mehr als nichts.

Wilbur und Charlotte.
E. B. White und Garth Williams.
1976 erstmals in der Reihe > Diogenes Kinder Klassiker< erschienen.
Erste deutsche Übersetzung erschien 1953.
213 Seiten, 8,90 €.
Diogenes Verlag.