Schlagwort-Archive: Rassismus

DIE MAGIE DER SPRACHE.

„Du hast was?“ frage ich erstaunt. Ich kann es einfach nicht glauben. Wobei, so wirklich hat es mich nicht überrascht. Ich kenne die Lesegeschwindigkeit meines geschätzten Kollegen Frank Menden, und sie ist nahe dran am Überschall. Und wo ich jetzt diese Rezension schreibe, bin ich erneut überrascht: Auch ich habe „Babel“ von Rebecca F. Kuang regelrecht verschlungen und in nur zwei Tagen gelesen. Nennt mich also ab sofort Concorde.

Und heute stelle ich euch dieses unglaubliche Buch vor und möchte gleich eine Herzensbitte loswerden: Schenkt diesem 700 Seiten starken Buch die Aufmerksamkeit, die es verdient. Euch erwartet eines der herausragendsten Bücher des Jahres. Keine Seite zu viel, und ihr werdet jede davon genießen. Nicht ohne Grund hat die Autorin für ihr Werk bereits Preise gewonnen: den Nebula Award 2022 und British Book Award 2022. Auch der kritische Denis Scheck ist voll des Lobes, und mit ihm zahlreiche Buchhändlerinnen und Buchhändler. Da muss also was dran sein!

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Die Liebe in Zeiten der Angst.

Es gibt nicht viele Bücher, die gleichzeitig Verzweiflung und Hoffnung vermitteln. „Unsre verschwundenen Herzen“ von Celeste Ng ist eines dieser seltenen Werke.

Dabei beginnt dieser Roman wirklich beklemmend, so dass ich ihn fast aus der Hand gelegt hätte. Aber ich blieb und das war gut so. Einerseits haben wir von sogenannter Wohlfühlliteratur schon mehr als genug, andererseits hat mich Ngs rhythmische Sprache geradezu magisch in den Roman und seine Story gezogen.

Ng hat mich schon mit ihren bisherigen Werken („Kleine Feuer überall“ und „Was ich euch nicht erzähle“) beeindruckt, so dass mir die Autorin mit ihrer mutigen Stimme vertraut war. Eine Stimme, die auf Ungerechtigkeiten hinweist und an Menschlichkeit appelliert. Das macht sie sehr unaufdringlich, zart und doch einnehmend. Die Bücher von Celeste Ng lassen dich nie kalt, ganz im Gegenteil: Du bleibst berührt und im besten Sinne belesener zurück.

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Wiederentdeckt: Die Sprache der Straße.

Hoffnung – immer wieder spüre ich sie. Sie leuchtet durch die Buchseiten hindurch, ausgeatmet von der Protagonistin dieses beeindruckenden Romans. Lutie Johnson heißt diese tapfere Kriegerin, die immer an das Gute glaubt, obwohl um sie herum so viel Hoffnungslosigkeit ist. 1946 erschien The Street von Ann Petry erstmalig und wurde ein Überraschungserfolg, der sich über 1,5 Millionen Mal verkaufte. Überraschend seinerzeit deshalb, weil er von einer afroamerikanischen Autorin verfasst wurde. Nun liegt das Werk in einer deutschen Neuübersetzung vor. Und hat – leider – bis heute wenig von seiner Aktualität verloren. Weiterlesen

Starke Stimmen der Hoffnung.

Bisher symbolisierten die 50er und 60er Jahre für mich vor allem eins: ein unglaubliches Stilvermögen. Ganz oben thront Audrey Hepburn, die mich schon als junges Mädchen mit ihrer Rolle als Holly Golightly in Frühstück bei Tiffany für immer geprägt hat. Einerseits durch ihre entzückende Ausstrahlung, andererseits durch die umwerfende Kleidung. Diese schlichte Eleganz – unaufdringlich und überwältigend zugleich. Oder nehmen wir die Automobile aus diesen Dekaden; Herr Klappentexter machte mich mit der atemberaubend schönen Welt der Oldtimer bekannt, zum Beispiel einem Auto, das Göttin genannt wird. Umwerfend und unerreicht ist dieser Citroën DS. Neben all der Raffinesse und Augenfreude steht diese Epoche jedoch auch für eine der wichtigsten politischen Bewegungen auf der ganzen Welt. Auch in den Vereinigten Staaten tat sich in diesen Jahren viel: Die Bürgerrechtsbewegung Civil Rights Moments erreichte ihren Höhepunkt, und die unglaublichen Demütigungen der Rassentrennung begannen endlich zu bröckeln. Aus dem Kampf für die Bürgerrechte der Afroamerikaner und gegen die Rassentrennung sind einzigartige literarische Stimmen hervorgegangen, denen ich mich heute widmen möchte. So wurde die angloamerikanische Literatur für mich zu der Entdeckung des vergangenen Jahres. Weiterlesen

Ein Buch, stark wie ein Löwe.

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»Der Löwensucher« von Kenneth Bonert ist ein Geschenk des Bücherhimmels. So fühlte es sich für mich an, denn ich begann das Buch exakt zum letzten Weihnachtsfest. Gerade noch saß ich ein wenig ermattet auf dem Sofa und fragte mich, ob ich des Lesens müde bin. Zerstreut griff ich zu dem weißen Wälzer, der mit anderen Neuheiten neben mir lag und öffnete ihn neugierig wie eine Katze, die ein Spielzeug gefunden hat. Schon in der nächsten Minute blinzelte mich ein Weihnachtsstern an, und ich dachte wieder einmal an die kosmischen Kräfte des Bücherhimmels.

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Nichts ist einfach. Aber auch nichts unmöglich.

 

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Als ich aufwachte, war ich plötzlich schwarz. Meine Bindfädenhaare kräuselten sich auf meinem Kopf zu einem kleinen Nest. So sehr war ich in dem Roman Americanah von Chimamanda Ngozi Adichie gefangen. Ich hatte mich vollkommen aufgelöst und in Ifemelu verwandelt. Ihr Leben wurde zu meinem, viele Tage lang atmete ich ihre Luft und dachte ihre Gedanken. Selbst jetzt bekomme ich noch eine Gänsehaut, wenn ich daran zurückblicke.

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