Becks zweiter Sommer.

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Eigentlich wollte ich ins Kino gehen und mir die Verfilmung von Benedict Wells Debüt »Becks letzter Sommer« anschauen. Aber wie das so ist im Sommer – oft hat man einfach was Anderes vor. Allerdings hab ich die Verfilmung zum Anlass genommen, das Buch noch einmal zu lesen. Und sofort war es wieder um mich geschehen. Ein Glanz legte sich auf meine Augen und ich genoss die Freude des erneuten Lesens. Becks zweiter Sommer sozusagen.

Nun ist es ja nicht so, dass ich keine Bücher hätte. Ganz im Gegenteil. Mir schwirrt ein bisschen der Kopf – derartig viele, aufregende Neuerscheinungen liegen noch vor mir. Aber ein Herzensbuch ist nun mal ein Herzensbuch. Ich habe den Roman vor fünf Jahren zum ersten Mal gelesen und auf meinem damals noch taufrischen Blog rezensiert. Es war eines der ersten Bücher, was natürlich doppelt verbindet. Zumal ich den Autor seinerzeit auf der Langen Lesenacht in der Berliner Oranienstraße kennenlernen durfte.

Und wer das wunderbare Buch noch nicht kennt, für den erzähle hier gern noch mal aus dem Inhalt: Robert Beck ist Lehrer und einer von diesen liebenswert verrückten Protagonisten. Die junge Kellnerin Lara, der musiktalentierte Schüler Rauli aus Litauen und der überdrehte, depressive Charlie zählen genauso zu diesem genial komponierten Stück Literatur. Was alle Figuren vereint, ist eine innere Unruhe und die Suche nach sich selbst.

Robert Beck – der ewige Zauderkönig – wäre lieber Musiker statt Lehrer. Er war es früher auch und sogar Mitglied einer Band. Rauli fristet ein Dasein als Außenseiter in der Schule. Der Junge hat aber ein begnadetes Talent zu singen und zu spielen, das Beck entdeckt. Der Deutschafrikaner Charlie philosophiert gern über das Leben, hat sein Studium abgebrochen und leidet stets an irgendeinem Wehwehchen. Er flüchtet oft in den Drogenrausch und zu schönen Frauen, doch die kalte Angst will einfach nicht weggehen. Eines Tages bricht er dann zusammen und muss mit einer Depression ins Krankenhaus. Beck wurschtelt sich so durchs Leben, raucht Joints und träumt von einer Musikerkarriere seines Sprösslings, den er als Manager zum Erfolg führen will. Aus der flüchtigen Bekanntschaft mit Lara entwickelt sich zusehends mehr, doch Lara hat ihre eigenen Pläne und will zum Studieren nach Rom.

Eines Tages steht der aus dem Krankenhaus ausgebüxte Charlie vor Becks Tür und berichtet, dass er unbedingt zu seiner kranken Mutter nach Istanbul will. Coole Idee, findet Raulis. Und Beck? Der zaudert. Will eigentlich nicht, überhaupt nicht! Und dann sitzen sie doch alle drei im Auto.

Dieses Buch hat mir auch beim zweiten Lesen wieder großes Vergnügen bereitet! Die Protagonisten sind einfach eine herrlich skurrile Truppe, in die Benedict Wells viel Herzblut gesteckt hat. Der Autor erzählt in einer lockeren Sprache, die trotz ihrer jungendlichen Frische auch tiefsinnige Betrachtungen bereithält. Wie gesagt, es geht es in diesem Künstlerroman und Roadmovie um nichts weniger als die große Suche nach uns selbst. Wer wollen wir sein? Was macht uns glücklich? Was sind unsere Träume? Hierbei denke ich an Becks sonderbare Begegnung mit Zimmerman, den Beck in einer Drogennacht an einem sonderbaren Ort kennenlernt. Er schüttet dem Unbekannten sein Herz aus, spuckt seine Ängste und Zweifel wie Kirschkerne in die Nacht. Zimmerman spricht ihm Mut zu und sagt so wahre Sätze wie: »Es geht um die Liebe oder das, was man tun möchte. Dumme Menschen verkomplizieren alles. Kluge Menschen vereinfachen. Denn wenn Sie einmal alt sind, dann werden Sie sich sicher nicht vorwerfen, zu wenig Zeit im Büro verbracht zu haben. Aber Sie werden sich ewig vorwerfen, nicht genug geliebt zu haben oder nicht das gemacht zu haben, was Sie eigentlich wollten.« Dies sind keine Gedanken eines weisen alten Mannes, sie entstammen aus der Feder eines damals 23jährigen Autors. Von einem Menschen, der wusste, was er will: Schreiben, nichts anderes. Das tat Benedict Wells und wurde zu einem erfolgreichen Schriftsteller, der bislang zwei weitere Bücher veröffentlicht hat. Wie er dort hingekommen ist, wo er heute steht, hat er mir hier erzählt. Überdies hat mir Benedict Wells in einem Interview verraten, was er über Klassiker denkt.

Dieser Roman enthält eine schöne Botschaft: Macht die Dinge, die ihr aus tiefstem Herzen wollt! Und sei es, ein Buch – trotz aller Neuerscheinungen – ein zweites Mal zu lesen. Oder über seinen Schatten zu springen. Ob Robert Beck dieser Sprung gelungen ist, bleibt mein süßes Geheimnis. Nur dies sei verraten: »Becks letzter Sommer« ist und bleibt eines der wunderbarsten Debüts ever. Und den Film kann man sich ja noch auf DVD anschauen.

Benedict Wells: Becks letzter Sommer. Diogenes Verlag, 2008, 464 Seiten, 12,- €. Jetzt direkt bei Buchhandel.de bestellen. Die DVD erscheint übrigens am 29. Januar 2016.

Weitere Stimmen zum Buch
>Kaffeehaussitzer
>Klappentexterin
>masuko13

7 Gedanken zu „Becks zweiter Sommer.

  1. ©lz

    Ich sage einfach Danke : für diese Art der Empfehlung. Ehrlich direkt fein / fundiert und mit der Lust einer Leserin geschrieben die wiederum Lust erzeugt diesem Namen zu folgen. Eine Rezension wie ich sie selten las und Freude erzeugt / abseits von intellektuellem Gelaber / toll.

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    1. Klappentexterin Autor

      Ich glaube, sogar sechs Jahre. 😉 Ich habe es ein Jahr nach dem Erscheinen gelesen. Ach, wie die Zeit vergeht. Wirst du dir den Film anschauen? Bestimmt! Was frage ich?

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  2. Masuko13

    Ein schöner Luxus: ein Buch ein zweites Mal zu lesen.
    Dass „Becks letzter Sommer“ eines deiner Herzensbücher ist, spürt man bei jeder Zeile.
    War toll, nochmal einzutauchen.
    Ich warte auch sehnsüchtig auf die DVD!
    Einen schönen Abend!

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  3. Pingback: Talking about Carson McCullers mit Benedict Wells. | Klappentexterin

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