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Ein liebenswerter Chaot.

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Mark Twain und ich haben eine Gemeinsamkeit. Besser gesagt, wir teilen uns einen Satz: „Ich war schon immer kopflos.“ Darüber schmunzele ich noch jetzt wie über viele weitere Stellen aus „Meine geheime Autobiographie“, die Harry Rowohlt in einer gekürzten Hörbuchfassung meisterhaft vorliest. Dass der Sprecher und der Autor eine wunderbare Symbiose eingehen, konnte ich damals bei der Preview feststellen. Daher habe ich mich für diese Form entschieden. Eine gute Entscheidung, eine sehr gute, wie ich feststellen durfte.

Im Gegensatz zu anderen Rezensenten bin ich ohne große Erwartungen an dieses Werk herangegangen. Bisher kannte ich weder Mark Twain genauer, noch seine Romane. Die erste Lücke ist jetzt nach diesem Hörgenuss beseitigt, die andere möchte ich ebenfalls schnellstmöglich mit seinen Büchern schließen. „Tom Sawyers Abenteuer“ kenne ich aus Kindheitstagen nur aus dem Fernsehen. Weil die Bücherwelt die schönere von beiden ist, möchte ich demnächst lesend in das Mark Twain-Abenteuer steigen.

„Meine geheime Autobiographie“ ist ein bereicherndes Œuvre an Reflexionen, Gedanken und Beobachtungen, die der Autor im Laufe seines Lebens gesammelt hat. Es dauert nicht lange bis sich mein Herz für diesen Mann erwärmt. Ich erlebe großartige Augenblicke, als Mark Twain von der Zeit auf der Farm seines Onkels berichtet. „Für einen Jungen war sie ein himmlischer Ort, diese Farm meines Onkels John. Das Haus war ein doppeltes Blockhaus mit einem geräumigen (überdachten) Gang, der es mit der Küche verband. Im Sommer wurde der Tisch mitten in diesem schattigen und luftigen Gang gedeckt, und die üppigen Mahlzeiten – ach, ich muss weinen, wenn ich nur daran denke.“ Die folgende Aufzählung der köstlichen Speisen treibt nicht nur Mark Twain das Wasser im Mund zusammen. Ich rieche die duftenden Kekse und den geräucherten Schinken, schmecke die frisch gekochten Maiskolben. Wenige Sekunden später weiter verscheucht er das schlechte Gewissen sofort in den Keller, das sich bei solchen Schlemmereien automatisch einstellt: „Ich bezweifle, dass Gott uns irgendetwas geschenkt hat, was, in Maßen genossen, ungesund ist, ausgenommen Mikroben. Trotzdem gibt es Menschen, die sich alles und jedes Essbare, Trinkbare und Rauchbare, das sich einen zweifelhaften Ruf erworben hat, strengstens versagen. Diesen Preis zahlen sie mit ihrer Gesundheit. Und Gesundheit ist alles, was sie dafür bekommen. Wie seltsam das ist. Als verschleudere man sein gesamtes Vermögen für eine Kuh, die keine Milch mehr gibt.“ Das ist er, der waschechte Kritiker, der kein Blatt vor dem Mund nimmt und all das ausspricht, was ihn bewegt.

Mark Twain war ein aufmerksamer Beobachter der Gesellschaft, er schimpfte über Politiker und über die Reichen. Kritische laute Töne erlebe ich bei der Schilderung über das Massaker auf den Phillipinen, bei denen etliche unschuldige Menschen – die Wilden, wie sie bezeichnet wurden – ums Leben gekommen sind. Besonders rührend sind die Passagen, in denen seine Tochter Susy zu Wort kommt, die 1885 mit Fünfzehn die Biographie über ihren Vater begann. „Er ist ein sehr guter Mensch und ein sehr komischer. Er ist sehr aufbrausend, aber in unserer Familie sind wir das alle. Er ist der liebenswürdigste Mann, den ich je gesehen habe oder zu sehen hoffe – und oh, so zerstreut. Er erzählt ganz entzückende Geschichten.“ Mark Twain klinkt sich in Susys Aufzeichnungen ein und gibt seinen süßen Senf dazu, immer sehr liebevoll und rührend. Genauso herzerwärmend sind die weiteren Schilderungen über seine Familie und seine geliebte Frau, die für ihn mehr war als nur eine Frau. Sie war sein Fels in stürmischen Zeiten, sein Stern in den düsteren Momenten und so etwas wie seine Spielkameradin, war sie zeitlebens „Mädchen und Frau“. Diese Stellen waren meine liebsten, denn in ihnen findet sich so viel Liebe und Aufrichtigkeit, so dass mir an einigen Stellen fast das Herz still zu stehen schien und die Tränen kamen. Ich erinnere mich da besonders an den frühen Tod des einzigen Sohnes, Susy und dem seiner Frau.

Hatte ich anfangs Zweifel, ob mich die gekürzte Hörbuchfassung erfüllen würde, dachte ich in der Mitte des Werkes mit keiner Silbe mehr daran. Das Bild über Mark Twain wird mit jeder Minute runder. Ich lerne einen warmherzigen, leicht chaotischen und ehrlichen Menschen kennen, der zu seinen Leidenschaften wie zu seinen Fehlern gleichermaßen steht und auf vielseitige Weise aus der damaligen Zeit berichtet. Mark Twains Leben breitet sich wie eine bunte Patchworkdecke über mich aus, unter die ich gern krieche. Ich schmunzle an etlichen Stellen und spule bei manchen zurück, weil mich einige Sätze zutiefst beeindrucken. Sie sind klug, weise und liebreizend. Diese Freude habe ich auch Harry Rowohlt zu verdanken, der mit seiner Bärenstimme brummt, summt und geradezu Freude versprüht. Seine Zunge knetet die Worte zu einem wohligen Sound, der mich hungrig macht und mitreißt, so dass ich zum Schluss traurig und zugleich erfüllt bin, nachdem der letzte Satz verhallt ist.

Mark Twain.
Meine geheime Autobiographie.
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Hans-Christian Oeser.
Vorgelesen von Harry Rowohlt.
Gekürzt, 05 Std. 15 Min., 13,95 €.
audible.de

Hans-Christian Oeser über die Kunst des Übersetzens.

Kürzlich hatte ich euch von dem wunderschönen Mark Twain-Abend berichtet. Zu meinem Glück konnte ich Hans-Christian Oeser für ein Interview gewinnen. Er hat die große Aufgabe auf sich genommen und „Meine geheime Autobiographie“ von Mark Twain ins Deutsche übersetzt.

                                          Foto: privat.
Hans-Christian Oeser wurde 1950 in Wiesbaden geboren. Er ist freier literarischer Übersetzer, Herausgeber, Reisebuchautor, Publizist, Redakteur, Korrektor und Sprecher. Hans-Christian Oeser wurde mit dem Europäischen Übersetzerpreis Aristeion für Der Schlächterbursche von Patrick McCabe (1997) ausgezeichnet. Er lebt und arbeitet in Berlin und Dublin.

Klappentexterin: Wie fühlt es sich für Sie an, ein Werk wie die Autobiographie von Mark Twain übersetzen zu dürfen?
Hans-Christian Oeser: Dies war kein Übersetzungsauftrag wie jeder andere, einmal der schieren Textmasse wegen (die deutsche Version umfasst mehr als 900 Normseiten!), aber auch, weil es sich um einen Klassiker handelt, und dazu noch um einen, der wunderbar schreiben – oder wie im vorliegenden Fall –diktieren kann. Als Übersetzer hat man häufig ein angespanntes Verhältnis zu dem Werk, das es zu übertragen gilt. Diese Ambivalenz kann sich, zumindest für die Dauer des Arbeitsprozesses, bis zur Haßliebe steigern. Dann wirft man dem Autor – natürlich in völliger Überschätzung der eigenen Möglichkeiten – mangelhafte Sprachbeherrschung, mangelnde Stilsicherheit, mangelnde Gestaltungskraft vor, denn man ist ja sein genauester Leser und, was das Sprachliche betrifft, sein intimster Kenner. Dieser kritische Blick hat damit zu tun, dass man sich an widerständigem Material abarbeiten muß, dass sich etwaige Schwächen des Originals, ja die Unzulänglichkeit der Sprache, in der es verfaßt ist, voll und ganz erst im Akt des Überführens in eine andere, ebenso unzulängliche Sprache offenbaren, vom eigenen Ungenügen einmal abgesehen. Die Übersetzung der Autobiographie hingegen war eine beglückende Erfahrung. Die Treffsicherheit des Ausdrucks noch in der mündlichen Rede – denn dieses letzte Werk Mark Twains basiert zum allergrößen Teil auf Diktaten –, die Souveränität der Stoffbeherrschung, der lange erzählerische Atem hat mir mit jedem Wort, mit jedem Satz mehr Bewunderung abgenötigt.

Wie lange waren Sie mit der Übersetzung beschäftigt?
Etwa sechs bis sieben Monate, allerdings unterbrochen von der Arbeit an anderen Büchern, darunter etwas zu „Lenin und die Philosophie“. Neun Monate wären angemessener gewesen.

Welchen besonderen Herausforderungen mussten Sie sich stellen?
Mark Twains Autobiographie ist ein Panorama, ein Potpourri, ein Sammelsurium, ein Bilderbogen. Das liegt nicht nur daran, daß ihr vorherrschendes Strukturprinzip die Abschweifung ist, sondern auch daran, daß der Autor in den breiten Strom der Erinnerung die unterschiedlichsten „Textsorten“ einstreut: Telegramm, Brief, Zeitungsmeldung, Vortrag, Tagebuch, Gedicht, redigiertes Manuskript, eine töchterliche Biographie mit Rechtschreibfehlern etc. Im Grunde müßte man von einer Collage sprechen. Stilistisch war also eine gewisse Wendigkeit gefordert. Da ich ein sturer Kopf bin, hat mir das am meisten Schwierigkeiten bereitet.

Wie vertrauter ist Ihnen Mark Twain jetzt nach dieser Arbeit?
Ich war kein Mark Twain-Spezialist und bin auch jetzt keiner. Aber natürlich habe ich, gerade weil der Autor, wie ein Freund ihm schrieb, „nackter als Adam und Eva zusammengenommen“ ist, Einblicke in sein inneres und äußeres Leben nehmen können, die mir vorher nicht vergönnt waren. Wer weiß, hätte ich das Buch nicht übersetzt, hätte ich es womöglich nie gelesen! So aber bin ich hineingezogen worden in eine pralle Selberlebensbeschreibung, die Privates und Persönliches mit Öffentlichem und Politischem kombiniert, die Ernst und Witz, Kritik und Humor verknüpft, die immer kurzweilig, immer tiefschürfend, immer wahrhaftig ist. Besonders anrührend waren für mich die Episoden, in denen der Vater in den Vordergrund tritt, der spielende Vater, der erzählende Vater, der seine Tochter Susy zitierende Vater, der um seine Tochter Susy trauernde Vater.

Haben Sie von Mark Twain ein Lieblingsbuch?
Ich schätze sehr den „Bummel durch Europa“ und nehme mir als nächstes die Spätwerke „Was ist der Mensch?“ und „Briefe von der Erde“ vor.

Wie kann ich mir Ihre Arbeit als Übersetzer vorstellen?

Plackerei von morgens bis abends. Eintauchen in fremde Welten. Im Dienste des Anderen stehen. Freude über das treffende Wort, die gelungene Satzperiode, den musikalischen Klang. Haareraufen, wenn all dies sich nicht einstellen will. Unzufriedenheit über niedrige Honorarsätze. Zufriedenheit über ein kleines Lob in einer kleinen Zeitung.

Wie wird man Übersetzer?
Durch Liebe zur Sprache (zur fremden und zur eigenen) und durch Liebe zur Literatur (zur fremden und zur eigenen). Und weil man sonst nichts kann. Aber es gibt mittlerweile auch universitäre Ausbildungsgänge.

Was ist das Besondere an dieser Tätigkeit?
Daß jedes einzelne Buch das Besondere ist. Keines gleicht dem anderen (wie auch keine Übersetzung der anderen gleicht). Seltsamer Kontrast zwischen dem Mechanischen des Arbeitsablaufs (jeder Übersetzer ist eine kleine Wortfabrik) und der Entdeckung immer neuer Sphären und Galaxien.

Hatten Sie in Ihrer Berufslaufbahn besondere, unvergessliche Momente, von denen Sie mir berichten möchten?
Thessaloniki: die Überreichung eines goldenen Lorbeerkranzes zum Europäischen Übersetzerpreis Aristeion 1997 durch den bulligen Evangelos Venizelos, seinerzeit Kulturminister, in jüngster Zeit Finanzminister und damit einer der Politiker, die im Auftrag des internationalen Finanzmarktkapitals das griechische Volk ausrauben.

Welches Buch werden Sie als nächstes übersetzen?

Juliet Nicolsons historischen Roman „Abdication“ über die Liebesaffäre König Edwards VIII. mit Wallins Simpson.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen und den vielen anderen Übersetzern danken. Ohne Sie blieben mir viele Bücher unentdeckt! Gibt es eigentlich einen Übersetzerfeiertag?
Danke für den Dank! Mein Lieblingszitat in dieser Hinsicht ist der kluge Ausspruch des portugiesischen Romanciers und Literaturnobelpreisträgers José Saramago: „Der Autor schafft mit seiner Sprache nationale Literatur, die Weltliteratur wird von Übersetzern gemacht.“ Und ja, seit 1991 wird der 30. September als Internationaler Übersetzertag begangen. Es ist der Gedenktag des hl. Hieronymus, des großen Schöpfers der Vulgata, der am 30. September 420 in Betlehem starb.

Reizt es Sie nicht, einmal selbst ein Buch zu schreiben?
Nein. Diese Frage wird Übersetzern oft gestellt, weil man offenbar davon ausgeht, daß Übersetzen eine uneigentliche, sekundäre oder jedenfalls nicht ganz vollwertige, weil abgeleitete Tätigkeit sei. Die Übersetzung ist aber, mit Walter Benjamin gesprochen, eine eigenständige literarische Form. Übersetzer sind Schriftsteller, allerdings nur in dem Sinne, daß sie Spezialisten für Sprache sind. Wir erfinden keine Figuren, keine Schauplätze, keine Handlungen, wir bearbeiten keine Stoffe, wir setzen uns nicht mit Themen auseinander, wir erinnern uns nicht, wir beobachten nicht, wir fühlen uns nicht ein. Es fehlt uns an künstlerischer Imagination. Aber wir sind kreativ, denn wir schaffen ein sprachliches Gebilde, das es so noch nie gegeben hat, auch und gerade nicht in der Originalsprache. So konnte Friedrich Rückert schreiben: „Wer Philolog und Poet ist in Einer Person, wie ich Armer, kann nichts besseres tun als übersetzen wie ich.“ Den Stachel originärer Produktion verspüre ich nicht. Ich habe der Welt nichts mitzuteilen.

Die Klappentexterin dankt für das Interview und wünscht Hans-Christian Oeser weiterhin alles Gute und viel Erfolg.

Ein Ereignis: Harry Rowohlt liest Mark Twain.

Er war noch gar nicht da und doch ahnte ich bereits, dass etwas Wunderbares auf mich zuschweben würden. So Etwas, an das ich mich noch lange mit einem Lächeln erinnern würde. Die Rede ist von einem Abend der besonderen Art.

Der Aufbau-Verlag hatte zur Preview eingeladen. Harry Rowohlt las „Meine geheime Autobiographie“ von Mark Twain. Ja, der Harry Rowohlt, den ich aus der Lindenstraße kenne, der Mann mit dem Riesenbart, an dem ich gern mal ziehen möchte. Neben ihm befand sich eine weitere wichtige Person, ohne die wir dieses bedeutende Werke auf Deutsch gar nicht lesen könnten: der Übersetzer Hans-Christian Oeser. Er zeigte ein Exemplar vom amerikanischen Original. Dabei blieb mir der Mund offenstehen: Dieses Buch war größer als ein Ziegelstein. Die Autobiographie, die auf Wunsch des Autors erst 100 Jahre nach seinem Tod erscheinen durfte, enthält im amerikanischen Original neben seinen Aufzeichnungen auch zahlreiche Fußnoten und weiterführende Informationen. Der Aufbau Verlag macht es uns viel leichter. Dieses Werk wird in nun auf Deutsch zwei Büchern erscheinen, die in einem Schuber zusammenfinden. Einmal die persönlichen Berichte von Mark Twain, dazu ein Band mit den wichtigen Daten.

Hans-Christian Oeser und Harry Rowohlt.

Hans-Christian Oeser und Harry Rowohlt waren ein eingespieltes Team. Der Übersetzer lieferte Informationen zu Mark Twain, Harry Rowohlt las im Anschluss Passagen aus dem Buch vor und zog dabei gern kleine Anekdoten aus dem Ärmel, bei denen sich das Publikum in eine lachende Welle verwandelte. Ein beeindruckendes Schauspiel war das Vorlesen! Plötzlich verwandelte sich der starke Mann in einen kleinen Jungen, der mit seinen Armen und Händen herumwirbelte. Sie waren seine Kraftbomben, die ihn ins Schwitzen brachten, so dass er bald sein Angeberjacket – wie er das Kleidungsstück selbst bezeichnete – ausziehen musste.

„Meine geheime Autobiographie“ ist ein wahres Feuerwerk! Ich hatte das Gefühl, als würde Mark Twain direkt neben mir stehen und aus seinem Leben erzählen. Jeder Satz war ein Abenteuer, manchmal sehr nachdenklich, ein anderes Mal erheiternd oder verführerisch. Die Autobiographie sprüht vor Leben und ich wollte hineinkriechen. Nicht zuletzt auch durch Harry Rowohlt, der dem Buch eine eigene Stimme gegeben hat, einen Ton, der noch lange im Ohr summte. Zeit zum Innehalten boten die Blues-Musiker Dieter Faber auf seinen beiden Gitarren und Steve Baker auf seiner Mundharmonika. Die Kraft der Mundharmonika war beeindruckend. Der ganze Körper zitterte, eine Gänsehaut prickelte an meinem Pullover und ich flog direkt ins Amerika vergangener Jahre.

Fotos (2): Reno Engel, Aufbau Media.

Nach der Lesung war das Gewusel groß, ein Herankommen an Harry Rowohlt schien unmöglich. So wurde er gleich von einem Kamerateam umzingelt und interviewt. Mein Liebster und ich gingen daraufhin nach draußen, wollten den Abend bei einem Wein ausklingen lassen. Und dann ging alles sehr schnell. Plötzlich fand sich der Übersetzer an unserem Tisch ein und kurze Zeit später Harry Rowohlt persönlich. Ehe wir uns versahen, befanden wir uns im Gespräch und Harry Rowohlt plauderte aus seinem Leben. Dabei ließ ich es mir nicht nehmen, ihn zu fragen, wie er zur Lindenstraße gekommen ist. Es war eine Fotoaktion von der Zeitschrift „essen und trinken“. Ein Mitarbeiter rief ihn an und fragte, ob er Lust hätte, sich in einem Lokal fotografieren zu lassen, wo er bis zum Platzen essen und trinken könnte. Er wies den Anrufer daraufhin, dass er kein Promi sei, sondern vom Beruf Übersetzer und legte auf. Seine Frau kam aber mit der Idee, das „Akropolis“ aus der Lindenstraße vorzuschlagen, ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht ganz, denn es gelang der Zeitschrift, Harry Rowohlt einen Termin am Set zu arrangieren. Gesagt, getan. So fand sich Harry Rowohlt dort ein und begeisterte am Ende den Erfinder der Lindenstraße, Hans W. Geißendörfer, der ihm eine Rolle anbot. Er sagte zu, aber unter einer Bedingung: Wenn dann nur als Penner, eine Randgruppe, die bislang eher unterbesetzt war. Das ist er nun seit mehr als 16 Jahren.
Und noch etwas habe ich zu berichten: Wer es sich nicht mit Harry Rowohlt verscherzen will, sollte genau auf seine Wortwahl achten. So ist „letztendlich“ in seiner Gegenwart tödlich. Ja, dieses Gespräch war sehr aufschlussreich, interessant und äußerst amüsant – wie der komplette Abend. Ich danke dem Aufbau-Verlag und allen Beteiligten für dieses Ereignis der besonderen Art!

Harry Rowohlt schwirrte dann weg, aber Hans-Christian Oeser konnte ich festhalten. Der Übersetzer wird demnächst in einem Interview bei mir zu Wort kommen.

Und zum Schluss habe ich für euch noch wichtige Daten zum Buch:

Erscheinungstermin: 1. Oktober 2012
Einführungspreis: 49,90 €, ab. 1. Januar 2013: 59,90 €.
2 Bände im Schmuckschuber.
Band 1: Meine geheime Autobiographie, aus dem amerikanischen Englisch von Hans-Christian Oeser, mit einem Vorwort von Rolf Vollmann
736 Seiten, 46 Abbildungen, Leinen, 2 Lesebändchen
Band 2: Zusätze und Hintergründe, aus dem amerikanischen Englisch übersetzt und betreut an den Universitäten München, Graz und Berlin
397 Seiten, 21 Faksimiles, Broschur, 2 Lesebändchen

Stöbern könnt ihr bereits beim Aufbau Verlag. Einfach hier klicken, schon seid ihr vor Ort und könnt auch unter dem Punkt Veranstaltungen nachschauen, ob ihr nicht bei zukünftigen Lesungen dabei sein könnt. Die Berliner sollten sich schon jetzt den 2. Dezember vormerken, dann findet die Lesung im Maxim Gorki Theater statt.

Ein Komet am Literaturhimmel, den man nicht vergessen kann.


„Tom Sawyer und Huckleberry Finn? Das liest heute fast keiner mehr,“ sagt die Buchhändlerin und sucht im Laden nach Exemplaren. Sie findet ein Buch, das am oberen Rand leicht eingestaubt ist. Schnell pustet sie den Staub weg und hält mir das Buch hin. Warum das so ist, wisse sie nicht, denn eigentlich seien es doch so schöne Bücher. Aufregende Abenteuer, die man sich als Kind wünscht.
„Viele lesen mehr das hier,“ erzählt die Dame und zeigt dabei auf einen Tisch, auf dem Drachen, Zauberer und Vampire ihre eigenen Geschichten erzählen.
Mark Twain ist ein bisschen in Vergessenheit geraten. Viele jungen Leser stürzen sich heute lieber ins Fantastische, lesen Bücher wie Harry Potter, Eragon oder Percy Jackson. Dort wird gezaubert, Feuer gespuckt und dort treiben sich unheimliche, fantastische Wesen herum. Klar, dass es zwei normale amerikanische Jungs schwer haben, dagegen anzukommen. Obwohl so normal sind sie eigentlich nicht, wenn man es mal ganz genau betrachtet.

Ich habe Tom Sawyer und Huckleberry Finn als junges Mädchen nur teilweise gelesen, dafür habe ich mich an den Filmen nicht satt sehen können. Heute noch sehe ich vor mir, wie beispielsweise Tom zur Strafe Tante Pollys Zaun weiß streichen musste. Oder Hucks Floßfahrt auf den Mississippi. Dank Mark Twain wusste ich später im Englischunterricht, dass das Wort tatsächlich mit vier ss und zwei pp geschrieben wird. Es waren genau diese Kleinigkeiten, die sich in mein Gedächtnis eingenistet haben.


Auch die Verlage haben Samuel Langhorne Clemens – so hieß Mark Twain mit bürgerlichem Name – nicht vergessen. Anlässlich zum 100. Todestag von Mark Twain in diesem Jahr erinnern die Verlage mit zahlreichen Neuerscheinungen.

Es ist nicht gelogen, wenn man behauptet, der amerikanische Schriftsteller hatte etwas Überirdisches an sich, denn als er geboren wurde, war der Halleysche Komet am Himmel zu sehen. Genau 76 Jahre später hat er seinen Samuel wieder mit genommen. Hier geblieben sind staunende Gesichter und Geschichten, die bis heute weiterleben, wenn auch manchmal etwas versteckt zwischen den Bücherreihen. Aber sie leben und das ist die Hauptsache.

Wichtige Neuerscheinungen

Sommerwogen – eine Liebe in Briefen,
16,95 €, 304 Seiten, Aufbau.
Eine Rezension dazu gibt es auf Jennys Lesecke.

Tom Sawyer & Huckleberry Finn.
34,90 €, 712 Seiten, Hanser.

Die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn.
29,90 €, 816 Seiten, Diogenes.

Knallkopf Wilson.
19,95 €, 320 Seiten, Manesse.

Post aus Hawaii.
24,- €, 368 Seiten, mare.

Mark Twain unter den Linden.
Herbert Beckmann.
12,90 €, 272 Seiten, Gmeiner Verlag.

Meine Weltreise nach Indien.
24,- €, 352 Seiten, marixverlag.

Mark Twain für Boshafte.
Günter Stolzenberger.
6,- €, 93 Seiten, Insel.

Ada Mitsou hat Tom Sawyers Abenteuer gelesen und eine Rezension dazu geschrieben.