Weihnachtsspezial 2022 – Auf der Suche nach Glück.

Glück ist in diesen Tagen ein besonders wertvolles Gut, es kennt viele Gesichter und kann uns einige Geschichten erzählen. Zum Beispiel von einer wärmenden Hand, die sich auf dein klopfendes, unruhiges Herz legt und wie Balsam wirkt. So möchte ich das Glück zum Motto für mein Weihnachtsspezial wählen und folge Herrn Klappentexter als Glücksbotin.

Für mich war dieses Jahr in vielerlei Hinsicht aufwühlend, beunruhigend und gleichzeitig kreativ wie beglückend. Alte Pfade wurden durchleuchtet und hinterfragt, große Fragen gestellt und neue Weichen gestellt. Und jetzt? Ist noch einiges offen, aber ich habe einen treffenden Satz geschenkt bekommen: „Das Glück ist mit den Mutigen.“ Möge es uns 2023 begleiten!

Und noch etwas ist in diesem Jahr passiert: Ich habe erneut jenseits der Rezensionen angefangen zu schreiben. Bereits vor meiner Zeit als Klappentexterin hatte ich einen Blog mit Kurzgeschichten, Gedichten und Reflexionen gefüllt. Nun wieder Gedichte. Ich teile sie unter dem Hashtag #klappentexterinschreibtmalnichtüberbücher auf Instagram und bei Facebook. Welche Autorin mich inspiriert hat, lest ihr weiter unten.

Also, liebe Bücherfreunde, bleibt achtsam und offen, das Glück ist überall zu finden, selbst zwischen den kleinsten Ritzen lugt es hervor. Schaut ihm freundlich entgegen, dann schaut es zurück. Lasst uns trotz der schweren Zeiten zuversichtlich nach vorn blicken. Und wenn sich das Glück doch mal hartnäckig verweigert, greift zu einem guten Buch. Hier kommen ein paar Anregungen.

Everyday Play – Julian Rothenstein

Das Buch hat den lustigen Untertitel „Eine Kampagne gegen die Langeweile“. Das macht natürlich neugierig. Als ich obendrein noch las, wer sich in dem Buch alles wiederfindet, musste es einfach auf meine Empfehlungsliste. Trefft Hunter S. Thompson, Maya Angelou, Getrude Stein, Mahatma Ghandi und Sophie Calle – um nur ein paar zu nennen. Zudem fasziniert mich der Buddhismus seit Jahren. Anregungen für den Einstieg in diese faszinierende Ethik findet ihr ebenso auf den reich bebilderten Seiten, wie auch die Rituale, die Buddhisten täglich praktizieren. Oder einmal ganz anders frühstücken? Sehr, sehr verlockend. „Was?“ fragt Herr Klappentexter? „Nun ja, wir können doch mal schauen…“ „Okay.“ Gut, die Büroklammer zwischen den Zähnen war dann doch nicht das richtige. Aber alleine der Versuch war´s wert!

Das Buch unterteilt sich in vier Bereiche: Leben, Kunst, Spiel, Sprache. Dazu gibt’s Beiträge, Ausschnitte, Fotos und Illustrationen. Ihr wolltet immer schon mal Karl Lagerfeld werden? Auch dazu bekommt ihr die passende Anleitung.

„Everyday Play“ vereint spielerisch zahlreiche Kunstwerke und macht das Leben selbst zum Kunstwerk. Es ist skurril, witzig und, ja, sehr kunstvoll. Das kurzweilige Buch zeigt viele verrückte und fantasievolle Anregungen, um dem faden Grau des Alltags zu entfliehen. Und es ist eine Ode an die Kunst, die schon so viele gerettet hat. Das ideale Geschenk für Lebenskünstler, die sonst wenig Zeit für Bücher haben. Überhaupt für alle, die im Leben ein Fest sehen. Denn das ist es – trotz aller Widrigkeiten – trotzdem, jeden Tag aufs Neue.

Everyday Play – Eine Kampagne gegen die Langeweile. Herausgegeben von Julian Rothenstein. MIt einem Vorwort von Andrej Kurkow. Aus dem Englischen übersetzt von Sven Koch. Elisabeth Sandmann Verlag, September 2022, 176 Seiten, 30,- €.

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Laura Pashby – Little Stories of Your Life

Laura Pashby ist meine Muse des Jahres! Ihr Buch „Little Stories of Your Life“ ist für mich eine Fundgrube an Ideen und hat es geschafft, meine fast vergessenen kreativen Seiten zu reaktivieren. So schreibe ich seit der Lektüre auf Instagram wieder kleine Gedichte.

Und der Kern des Buches lautet: Erzähle deine Geschichte, finde deine eigenen Bilder und Worte, die winzigen Freuden des Alltags! Kein Wunder, dass ich mich in diesem Werk wie zu Hause fühle. „Kreativität gedeiht, wenn wir sowohl der äußeren Welt als auch unserer inneren Stimme Aufmerksamkeit zollen,“ schreibt Laura. So wahr! Das eine ist mit dem anderen verbunden so wie wir mit der Erde und dem Atem der Welt.

Als Laura eines Morgens mit einer Tasse Tee an ihrem Tisch saß, spürte sie die Erschöpfung, die das Muttersein mit sich bringt. Doch so sehr sie ihre Kinder liebte und sich von ihnen vereinnahmen ließ, genauso groß war der Wunsch, Räume zu schaffen, um ihre eigenen Geschichten des Lebens zu erzählen. So begann sie mit einer 365-Tage-Challenge und hielt Dinge des Alltags fest.

Da muss noch mehr sein als der Alltag! Diese Sehnsucht kenne ich nur zu gut, und tatsächlich ist da mehr, viel mehr sogar. Wenn man nur achtsam hinschaut. So gesehen ist „Little Stories of Your Life“ auch ein Buch der Achtsamkeit.

Die Autorin webt eigene Gedanken mit ein und die von anderen Autorinnen und Autoren. Obendrein gibt sie uns kleine Aufgaben, zeigt Listen, mit denen wir unsere Sinne schärfen können. Wo habt ihr heute überall die Farbe Blau gesehen? Welcher Geschmack war euch am liebsten? Macht das mal. Notiert eine Frage in eurem Notizbuch, schaut da tagsüber immer wieder rein, und am Abend werdet ihr staunend daneben sitzen und – ja, ganz genau – lächeln.

Man muss keine große Künstlerin sein, um sein Glück in diesem Buch zu finden. Aber man sollte schon den Wunsch in sich verspüren, zwischen dem Grau des Alltags die hellen, farbigen Punkte sehen zu wollen. Und sich darüber bewusst sein, dass einem dieses Glück nicht einfach in den Schoß fällt. Seid kreativ, gestaltet euer Leben selbst! 

Also, lasst euch auch von der Muse wachküssen und erlebt das Wunder, das ihr selbst seid!

Laura Pashby: Little Stories Of Your Life. Aus dem Englischen übersetzt von Kathrin Köller. Knesebeck, September 2022, 256 Seiten mit 75 farbigen Abbildungen, 28,- €.

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Freundinnen – Ein Lesebuch

Ich habe Freundinnen, die mich schon mein Leben lang begleiten. Sie kennen mich genauso gut wie ich mich selbst, manchmal sogar noch besser. Obwohl sich unsere Lebenslinien anders entwickelt haben, sind wir weiterhin innig vertraut. Ich brauche wohl niemandem zu erzählen, wie wertvoll und bereichernd echte Freundinnen oder auch Freunde sind. Menschen, die an einen denken, es nicht immer zeigen können, und doch ist da dieses Band in unseren Herzen, das uns über hunderte oder gar tausende Kilometer verbindet. So passt der wunderschöne Band „Freundinnen“ aus der Inselbücherei perfekt in mein Weihnachtsspezial.

Dieses schmale Bändchen enthält Geschichten, Gedanken, Gedichte und Briefe über Freundinnen. Da sind Lila und Elena aus Elena Ferrantes eindrucksvoller Neapolitanischer Saga. Oder gleich zu Beginn ein bewegender Brief von Rosa Luxemburg. Charlotte von Schillers Brief an ihre Louise hat mich ebenfalls zutiefst berührt: „Aber es gibt Momente im Leben, wo wir so tief die menschlichen Begebenheiten und den Unbestand des irdischen Glücks fühlen, dass wir für alles, was wir lieben, besorgt sind, und lieber nichts wünschen möchten, um das Glück nicht zu verscheuchen. Ich gedenke der Stunden immer, wo Du mir Dein Herz geöffnet hast. Und diese Stunde hat mir für die Ruhe Deines Herzens Trost gegeben, weil ich fühlte, dass meine Louise ein Band an die Welt fesselt, was alle Schmerzen leichter tragen lässt.“

So wahr und so gut! Annabelle von Sperber hat dieses zauberhafte Büchlein mit hinreißenden Illustrationen gekonnt visualisiert. Das freut jeden Bücherwurm gleich doppelt und dreifach! Also, wenn ihr euren Freundinnen von Herzen Danke sagen wollt, dann macht es mit diesem besonderen Band. Ich sage nur: Danke für dieses kleine, aber wertvolle Buch.

Freundinnen – Ein Lesebuch. Illustriert von Annabelle von Sperber. Insel-Bücherei Nr. 1513, 110 Seiten, 14,- €.

John Burnside – So etwas wie Glück

Zeitunglesen lohnt sich. Vor allem, wenn es eine so gute Zeitung ist wie die Süddeutsche. Deshalb gönnen wir uns ein Abo. In einer der Wochenendausgaben fand ich eine Buchbesprechung zu John Burnsides Erzählungsband „So etwas wie Glück“. Das Glück und ein Poet, der Geschichten schreibt? So eine Kombination lässt sich die Klappentexterin nicht entgehen.

Erzählungen haben es ja immer etwas schwerer, obwohl eine Erzählung durchaus die Wucht eines Romans haben kann. Sofern sie zum Beispiel aus der Feder von John Burnside stammt. Der in Schottland geborene Autor schreibt nicht Prosa und Lyrik. Und gerade deshalb fühle ich mich ihm sehr nah, genauso wie Herrn Klappentexter, der ebenfalls beides beherrscht.

In der ersten Geschichte „Die Kälte draußen“ geht es um einen Mann, der Sirup ausliefert. Es ist kurz vor Weihnachten, und er weiß schon jetzt: Das ist sein letztes Weihnachten. Der Krebs ist zurückgekehrt. Auf der Rückfahrt sammelt er einen jungen Mann auf, der Frauenkleider trägt, verletzt ist und sagt, er sei auf der falschen Party gewesen. Ist das wahr? Doch statt darauf einzugehen, sprechen die beiden über andere Themen, kreisen weiter in ihren eigenen Gedankenströmen.

Glück im herkömmlichen Sinne darf man hinter diesem Titel nicht erwarten. Glücklich sind die Figuren in seinen Erzählungen auf den ersten Blick nicht, sie sind vielmehr Einzelkämpfer und den Stürmen des Lebens ausgesetzt. Alle versuchen, irgendwie mit den Herausforderungen zurechtzukommen. Aber es sind allesamt Liebende. Und wer liebt, der ist niemals ganz unglücklich.

In jedem Fall ist das Glück hier gleichbedeutend mit Leseglück. Da bin ich einer Meinung mit dem Literarischen Quartett. Wir finden in den Seiten viel Weisheit, aber auch die Kraft einer außergewöhnlichen Sprache und was diese auf wenigen Seiten alles erzählen kann. Sätze, vielseitig wie das Leben selbst: Melancholisch, flirrend, erhellend. Oder auch klar wie eine kalte Winternacht und dunkel, still verborgen wie unsere tiefsten Ängste.

John Burnside stellt die großen Fragen des Lebens in seinen gewichtigen wie klugen Sätzen: „… langfristig aber bleibt das Schicksal ein Rätsel. Eigentlich interessiert es sich nicht für unsere Angelegenheiten, geht es ihm doch allein um die lange, inhumanre Geschichte, die sich um uns herum entfaltet, die wir aber nie verstehen können. Deshalb werden die Schuldigen nicht bestraft, zumindest nicht so, wie man es erwarten würde.“

Diese Prosa zählt für mich zu den schönsten des Jahres und zeigt wieder einmal, dass es sich durchaus lohnt, Erzählungen die Tür zu öffnen. Ebenso wie dem Zeitungsboten.

John Burnside: So etwas wie Glück. Aus dem Englischen übersetzt von Bernhard Robben. Penguin Verlag, 2022, 251 Seiten, 24,- €.

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Mariana Leky: Kummer aller Art

Ein NEUER ROMAN von Mariana Leky?! Das dachte ich allerhöchst erfreut, als ich im Frühjahr die Vorschau vom Dumont Buchverlag aufschlug. Um wenige Sekunden später festzustellen, dass es sich bei „Kummer aller Art“ um einen Sammelband von Lekys Kolumnen handelt.

Daraufhin folgte ein tiefer Seufzen und Zusammenfallen, bis ich mich jedoch ganz schnell wieder aufgerichtet habe, wie ein Basilikumtopf, der fast verdurstet ist und nun nach einer Wasserdusche alle Blätter majestätisch erhaben von sich streckt. Denn Mariana Leky tut immer gut. Ob kurz oder lang.

Für mich ist dieses Bändchen ein wunderbares Trost- und Glücksbuch – ja, es kommt einem hellen Sonnenstrahl gleich, der nach einer verregneten Woche sehnsuchtsvoll durch die Wolken bricht. Ein Buch, das einem an einen schlechten Tag abends umarmt und sagt: „Alles nicht so schlimm.“

In ihren Kolumnen geht es um Menschen, die stolpern, hinfallen und mitunter ein wenig die Orientierung verlieren. Erzählt werden sie in der unverwechselbaren wohltuenden Leky-Sprache. Da sieht beispielsweise eine Frau Wiese „wie ein betagter Pirat“ aus. Oder die traurige Lisa, die man „hinter dem hünenhaften Liebeskummer kaum erkennen kann.“

So versüßt uns dieses Buch die Wartezeit bis zum nächsten Leky-Roman auf ganz besondere Art. Das hat doch auch was. Etwas sehr Gutes sogar!

Und es ist natürlich ein wunderbares Geschenk, das eigentlich unter jedem Christbaum gehört.

Mariana Leky: Kummer aller Art. Dumont Buchverlag, Juli 2022, 176 Seiten, 22,- €.

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Ian McEwan: Lektionen

Für alle, die meine Besprechung zu diesem eindrucksvollen Buch verpasst haben, möchte ich „Lektionen“ von Ian McEwan noch einmal ans Herz legen. Es zählt zu meinen absoluten Highlights in diesem Jahr und steht in meiner persönlichen Shortlist.

Dieses Buch braucht ein bisschen mehr Raum als andere, aber wann wenn nicht zwischen den Feiertagen und den Jahren? Mehr über den Roman findet ihr hier.

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Claire Keegan: Kleine Dinge wie diese

Muss ein Buch, das an Weihnachten spielt auch aussehen wie ein Weihnachtsbuch? Ich finde nicht. Und der Steidl Verlag auch nicht. Der ja von Haus aus unverdächtig ist, wenn´s um kitschige Cover geht. So finden wir auf dem Titel von „Kleine Dinge wie diese“ statt eines Elches eine streng dreinblickende Krähe.

Ein besonderes Weihnachtsbuch sozusagen. Claire Keegan hat mit „Kleine Dinge wie diese“ ein schmales Buch geschrieben, das jedoch die Wucht eines großen Werkes hat.

Die irische Autorin – wie immer herausragend übersetzt von Hans-Christian Oeser – nimmt uns mit in die irische Kleinstadt New Ross. Im Mittelpunkt steht die Familie Furlong. Bill Furlong ist Kohlehändler und versucht – mehr schlecht als recht – seine Familie mit Frau und fünf Töchtern zu ernähren. Jeder Cent wird zweimal umgedreht. Eines Tages macht Bill beim Kohleschuppen des Klosters, das gleichzeitig die Wäscherei des Dorfes ist, eine unglaubliche Entdeckung. Aufgewühlt und fassungslos spricht er mit seiner Frau darüber. Ihrer Meinung nach sollte er lieber nichts unternehmen. Doch genau am Heiligabend trifft Bill eine Entscheidung…

Dieses lebenskluge Buch hat mich innerlich so sehr berührt, dass ich beim Lesen jeden Herzschlag hören konnte. Zart und gleichsam gewaltig kommt es daher. Zudem ist der Roman ein Appell an das Mitgefühl und die Menschlichkeit. Es ermutigt uns, genau die Dinge zu tun, die man selbst für richtig hält. Egal, wie groß oder klein die guten Taten sind und was andere darüber sagen. Kurzum „Kleine Dinge wie diese“ ist eine außergewöhnliche Weihnachtsgeschichte, die jeden, der sie liest, zum Leuchten bringt.

+++ Die deutsche Ausgabe (und mittlerweile auch die englische) ist derzeit leider nicht lieferbar. Alternativ könnt ihr auch einen Gutschein vom Buchladen Eures Herzens verschenken. Das Buch kann natürlich auch außerhalb des Weihnachtsfestes gelesen werden. Anders als Schokolade haben ja Bücher kein Verfallsdatum. +++

Claire Keegan: Kleine Dinge wie diese. Aus dem Irischen übersetzt von Hans-Christin Oeser. Steidl Verlag, 112 Seiten, in Leinen gebunden, 20,- €.

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