
Ich bin eine Geschichtensammlerin. Und diese Geschichte ist so fantastisch, die muss einfach erzählt werden: Ein Liebespaar entdeckt ein Buch. Sie wollen, dass „Leonard und Paul“ von Rónán Hession noch viele andere Menschen erreicht. So gründen Frauke Meurer und Torsten Woywod ihren eigenen Verlag. Nun, ganz so war es nicht. Ein bisschen anders. Wie das Herzensbuch zu uns gefunden hat, erfahrt ihr unter meiner Buchbesprechung.
Nun erscheint der Roman. Lange schon vor euch hatte ich das Glück, dieses Buch zu lesen und in mein Herz zu schließen. Glück ist überhaupt in diesem Fall ein Stichwort. Wenn ihr dieses Buch lest, werdet ihr das Glück mit jeder Seite spüren. Sofern ihr – wie ich – auch stille Bücher mögt, denn davon wird die Geschichte getragen. Von besonderen Zwischentönen. Ich hatte oft das Gefühl, alles um mich herum verlangsamt sich.
Das liegt vor allem an den beiden Hauptfiguren Leonard und Paul, die aus der Zeit gefallen sind oder nicht mit ihr gehen wollen. Denn beide leben noch zu Hause und sind recht eigen, aber äußerst liebenswert. Leonard wohnt nach dem Tod seiner Mutter allein. Er besucht ganz oft seinen besten Freund Paul und dessen Eltern. Doch wie unser aller Leben von Veränderungen durchzogen wird, so werden auch unseren beiden Helden nicht verschont.
Doch nicht nur Paul und Leonard haben mich berührt, auch die Menschen um sie herum – allen hat sich Rónán Hession mit großer Empathie gewidmet. So ist „Leonard und Paul“ nicht nur die Geschichte einer besonderen Freundschaft, sie erzählt genauso von Aufrichtigkeit, Freundlichkeit und Liebe in vielen Variationen.
Das Debüt hat sich in Irland und England zu einem Liebling der Buchhändler:innen entwickelt, wurde über 100.000 Mal verkauft. Und wisst ihr was? Das überrascht mich überhaupt nicht. Denn dieses Buch ist absolut hinreißend, charmant, lebensklug und herzumarmend!
Rónán Hession: Leonard und Paul. Aus dem irischen Englisch übersetzt von Andrea O’Brien. Woywod & Meurer, 320 Seiten, 26,- €.
Und kommen wir nun zu der Geschichte hinter dieser Erfolgsgeschichte. Ich habe Torsten Woywod interviewt.
Klappentexterin: Wie habt ihr „Leonard und Paul“ gefunden?
Torsten Woywod: Tatsächlich ist die Entdeckung dieses Romans sehr eng mit der Wahl zum »Lieblingsbuch der Unabhängigen 2020« verknüpft – und mit einer gehörigen Portion Zufall. Die damalige Auszeichnung ging an Benjamin Myers und »Offene See«, was den Autor zu einer Danksagung in den Sozialen Netzwerken veranlasste. Daraufhin erhielt ich u. a. eine Facebook-Freundschaftsanfrage seines ehemaligen britischen Verlegers.
Ein paar Monate später, im Frühjahr 2021, bemerkte ich, dass genau dieser Verleger regelmäßig mit Neuigkeiten zu einem von ihm veröffentlichten Roman aufwarten konnte: Jahreslektüre Dublins, internationaler Bestseller, mehrere Lizenzverkäufe, Buchhändler*innen-Liebling in England und Irland, …
Diese Entwicklung ließ mich aufhorchen. Also googelte ich den Titel und orderte umgehend die E-Book-Ausgabe, nachdem ich in Erfahrung gebracht hatte, wovon dieser Roman handelt. Die Lektüre beendete ich noch in derselben Nacht und konnte anschließend kaum einschlafen, weil ich das Gefühl hatte, etwas ganz Besonderes entdeckt zu haben.
Zu diesem Zeitpunkt dachten wir aber noch lange nicht an einen eigenen Verlag.
Und dann? Wie ging es weiter? Warum habt ihr das Buch in eurem eigenen Verlag herausgebracht und nicht bei DuMont beispielsweise?
Letzteres ist ehrlich gesagt auch mein erster Impuls gewesen. Nach Beendigung der Lektüre hätte ich mir nichts Schöneres vorstellen können, als dass mein neues Lieblingsbuch bei meinem Lieblingsverlag und -arbeitgeber erscheinen könnte. Doch dann erfuhr ich, dass Rónán Hession ein ausgewiesener Indie-Fan ist, weshalb dieser Roman weltweit – zumindest soweit ich das nachvollziehen konnte – von kleinen Verlagen publiziert wurde. Bluemoose Books, der Originalverlag, der bis heute über 100.000 Exemplare dieses Titels verkaufte, ist beispielsweise analog zu uns aufgestellt: der Verlag besteht aus einem Verleger*innen-Paar und einem Labrador, der für ein wenig Ausgang, die notwendigen Pausen und die gute Laune zuständig ist. 😉
Dies stellte gewissermaßen die Initialzündung für unser eigenes Verlagsprojekt dar, nachdem auch meine Freundin den Roman gelesen hatte. Das Ganze sind wir aber selbstverständlich nicht ohne Rücksprache mit DuMont angegangen.
Wie seid ihr an die bekannte Übersetzerin gekommen?
In dieser wunderbaren Branche ergibt sich das meiste ja bekanntlich durch direkte Kontakte – in diesem Fall verhielt es sich aber ausnahmsweise nicht so. Andrea O’Brien und ich haben uns zuvor nicht gekannt – stattdessen sind wir im Zuge unserer Recherche auf sie gestoßen. Und da sie nicht nur eine wahnsinnig erfahrene und versierte Übersetzerin ist, sondern noch dazu einen direkten Irland-Bezug hat, erschien Andrea uns die perfekte Wahl zu sein (zur Erklärung: sie studierte nicht nur in Dublin, sondern hat auch einen irischen Familienbezug).
Heute kann ich sagen, dass wir uns wirklich keine bessere Übersetzerin hätten wünschen können. Andrea hat den besonderen Erzählton des Originals, der einen großen Teil der Magie dieses Romans ausmacht, perfekt eingefangen.
Ich sehe eine gewisse Ähnlichkeit mit DuMont-Büchern. Ist das Zufall?
Das kann ich ehrlichweise nicht verleugnen. Ich glaube, dass dies einfach nicht ausbleibt. Ich selbst arbeite seit fünf Jahren bei DuMont – und auch die Herstellerin dieses Titels, Andrea Lovo Valim, ist im Hauptberuf Herstellerin bei DuMont. Dazu kommt: Als wir uns mit der Umschlaggestaltung beschäftigten, schaute ich mir verschiedene Designagenturen an, die innerhalb der Branche tätig sind – und abschließend kamen meine Freundin und ich zu dem Schluss, dass die Cover, die von der Agentur LNT entworfen werden, aus unserer Sicht einfach die schönsten sind (LNT macht ansonsten viele Cover für DuMont, KiWi, dtv, Kampa usw.). Und überhaupt muss man sagen, dass DuMont einfach unglaublich schöne Bücher macht – optisch wie haptisch –, sodass sie grundsätzlich eine Referenz innerhalb der Branche darstellen.
In den Details unterscheiden wir uns aber tatsächlich voneinander – das wunderbare Strukturpapier, in welches das Buch eingefasst ist, kam z. B. noch nie bei uns zum Einsatz. 😉
Einen eigenen Verlag in so unsicheren Zeit zu gründen ist mutig. Woher nehmt ihr den Mut?
Ich gebe hiermit zu, dass meine Freundin, die mit mir den Verlag WOYWOD & MEURER gründete, für den Mut zuständig war. Nachdem auch sie den Roman gelesen hatte, sagte sie Folgendes zu mir: »Torsten, wir machen das jetzt.« Und so haben wir es dann auch gemacht, zumal mir beim allerbesten Willen kein plausibler Grund dafür eingefallen ist, warum wir es nicht machen sollten. Mal abgesehen von der Angst vor der eigenen Courage. Dieser Roman mit seinen besonderen Protagonisten und der herzerwärmend-schönen Geschichte musste einfach auch hierzulande gelesen (und geliebt) werden können.
Was habt ihr auf eurem neuen Weg des Eigenverlags an Erfahrungen mitgenommen?
Puh, das ist eine sehr gute Frage. Die größte Herausforderung stellte mit Sicherheit die Bürokratie dar. Und die Tatsache, dass es wohl keinen weiteren Ein-Buch-Verlag gibt.
Außerdem war es zu Beginn überhaupt nicht möglich, eine seriöse Kalkulation aufzustellen – die finale Zusage für diesen Titel erhielten wir nämlich fünf Tage nach dem Anbruch des Angriffkriegs auf die Ukraine.
Ich deutete es aber vorhin schon an: Das Wunderbare an dieser Branche ist, dass es immer und überall jemanden gibt, der eine Abkürzung kennt und sich persönlich für ein solches Herzensprojekt einzusetzen weiß.
Die mit Abstand schönste Erfahrung waren und sind aber die unglaublich schönen Rückmeldungen aus dem Buchhandel. Dass diesem Roman so viel Aufmerksamkeit und Liebe geschenkt wird, obwohl wir ein kleiner Verlag mit eingeschränkten Möglichkeiten sind (in vielerlei Hinsicht), hat uns oftmals sehr rührselig werden lassen – und tut es immer noch. Beinahe täglich.
An dieser Stelle möchten wir ein ganz herzliches Dankeschön dafür aussprechen. Die Buchhändler*innen hierzulande sind wirklich einzigartig!
Wie schafft ihr, eure Jobs und die Anforderungen als Verlegerin und Verleger unter einen Hut zu bekommen?
Wir haben in den letzten Monaten etwas weniger geschlafen. 😉 Und tatsächlich bin ich seit der Woche unabhängiger Buchhandlungen im November 2022, als ich mit dem Rad quer durch Deutschland fuhr, um täglich eine Buchhandlung zu besuchen und online zu porträtieren, überhaupt kein Fahrrad mehr gefahren. Das alles kann natürlich nicht auf unbestimmte Zeit so weitergehen – um dieses wundervolle Buch herausbringen zu können, haben wir aber gerne auf vieles verzichtet.
Wie sehen eure weiteren Verlagspläne aus?
Das wird die Zukunft zeigen. Wir haben diesen Verlag tatsächlich erst einmal für unser beider Lieblingsbuch gegründet, dem wir uns mit voller Kraft und Aufmerksamkeit widmeten.
Wer ist Rónán Hession? Könnt ihr uns mehr über den Autoren verraten?
Rónán Hession ist ein irischer Schriftsteller und Musiker, der in Dublin lebt. Unter dem Namen Mumblin’Deaf Ro hat er in der Vergangenheit bereits drei Musikalben produziert. Die letzte Veröffentlichung, ›Dictionary Crimes‹, wurde für den »Choice Music Prize« (Album des Jahres) nominiert. ›Leonard und Paul‹ ist Rónán Hessions Debütroman, der für mehrere Preise nominiert wurde.
Das alles macht er aber gar nicht im Hauptberuf. Über die Entstehung seines Erstlings sagt er Folgendes: »Zunächst hatte ich nicht die Absicht, einen Roman zu schreiben, und auch keine Ambitionen, Schriftsteller zu werden. Aber dann saß ich jeden Abend, nachdem meine Kinder zu Bett gegangen waren, an meinem Küchentisch und schrieb bis nach Mitternacht über Leonard und Paul – ich lebte ihr Leben in meiner Vorstellung. Das tat ich drei Monate lang jede Woche sechs Abende lang, bis der erste Entwurf des Buches fertig war.«
Inzwischen schreibt er an seinem dritten Roman – und es ist für uns alle zu hoffen, dass noch viele weitere folgen werden.
Die Klappentexterin dankt für das Interview und wünscht diesem Buch noch viele weitere glückliche Leser_innen und dem Verlag viel Erfolg!