Salz zwischen den Augen.

Bild von Peter H auf Pixabay

Gibt es so etwas wie die Summe eines Lesens? Und kann ich das jetzt überhaupt schon sagen? Mit Anfang 40? Möglich. Denn genauso empfinde ich „Diese ganzen belanglosen Wunder“ von Leona Stahlmann. In ihrem Roman finde ich meine ganzen Lektürevorlieben vereint: die Leidenschaft für eine poetische, warmherzige Sprache, fein gewürzt mit pointierten Noten und lebensklugen bis nachdenklich-stimmenden Tönen. Daneben schauen mich diese sonderbaren, liebenswerten Figuren an, die ich im Geiste umarmen möchte.

Dieses Buch zählt für mich zu einem der besten aus der aktuellen deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Warum? Nun, lasst uns gemeinsam in dieses Sprachwunderwerk hineinschauen.

Die Autorin nimmt mich mit in die salzige Marschlandschaft. Sie beherrscht die Kunst des Nature Writing, zoomt sich ganz nah heran bis in die kleinsten Pflanzen und Bewohner, als wäre sie selbst Zeno. Der 12jährige Junge ist eine der Hauptfiguren. Er lebt mit seiner Mutter in der stillgelegten Saline. Leda wiederum verschwindet manchmal ganz plötzlich und lässt ihren Sohn irgendwann ganz allein zurück. Aber wir müssen um Zeno nicht bangen, denn der pfiffige Junge findet stets seine eigenen Rettungsanker. Katt zum Beispiel. Eine Frau mit ganz eigener Geschichte… später kommen auch noch Janusz, Golden, Maju und Pella dazu.

In jedem Fall haben wir es hier mit einem zauberhaften Werk zu tun, das gleichwohl mit großem Ernst den Klimawandel mit einbezieht. Leona Stahlmann dreht die Zeit vor und lässt das Wirklichkeit werden, vor dem die Forscher warnen. Und doch empfinde ich vieles schon wie unsere Gegenwart, die Trockenheit, die uns seit Wochen heimsucht. Gleichwohl beugt sich der Roman in verschiedene Figuren, er folgt sehr feinsinnig ihrem Herzschlag, der oft unruhig ist.

Und dann ist da noch diese Sprache. Sie hat mich von Beginn an vollkommen eingenommen, fasziniert und staunen lassen. Lange schon habe ich in der deutschsprachigen Literatur solch ein Sprachkunstwerk nicht erlebt. Mein Exemplar ist mit zahlreichen Post-its gepflastert – so viele Sätze sind es wert, vorgelesen zu werden. Sätze voller erhabener Schönheit und Sätze voller Weisheit. Hier belasse ich es bei diesen hoffnungsvollen Worten:

„Einem Licht glaubt man. Ein Licht, das irgendwo im Dunkeln angeht, ist unbedingt richtig; es ist auf dieselbe Weise richtig, wie die Wuchsrichtung einer Pflanze oder ein knurrender Magen nicht irren können…“

Tut das gut? Was Sprache alles bewirken kann, zeigt Leona Stahlmann auf einzigartige Weise. Daher vermisse ich es auf der Longlist des diesjährigen Buchpreises, doch ich weiß, dass dieses Buch auch so seine richtigen Leser:innen finden wird.

Da ich nach der Lektüre einige Fragen hatte, habe ich sie der Autorin gestellt. Das Interview gibt’s kommende Woche an dieser Stelle.

Leona Stahlmann: Diese ganzen belanglosen Wunder. dtv, August 2022, 398 Seiten, 22,- €

6 Gedanken zu „Salz zwischen den Augen.

  1. Alexander Carmele

    Ich habe in die Leseprobe hineingeschaut und bin auch begeistert. Ich denke, dass ich nicht umhin komme, dieses Buch zu lesen. Die ersten Sätze, der erste Absatz hat mich sehr eingenommen. Vielen Dank fürs Aufmerksam-Machen. Es wäre mir sicherlich entgangen, so viele Bücher, wie auf dem Markt kommen. Viele Grüße.

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    1. Klappentexterin Autor

      Lieber Alexander,

      wie ist das schön! Ich freue mich sehr und kann dir schon jetzt versprechen: Das Buch bleibt die ganze Zeit so großartig einnehmend.

      Das stimmt, die Auswahl an Neuerscheinungen ist immer noch riesig. Da fällt selbst mir die Wahl nicht immer leicht.

      In jedem Fall wünsche ich dir schon jetzt unvergessliche Stunden mit diesem ausgezeichneten Werk.

      Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag,

      Klappentexterin

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  2. Nadine Sch.

    Oh wow, jetzt werde ich selbst ganz neugierig. Denn so gesehene und empfundene Werke begeistern auch mich mit meinen Erwartungen an unvergessliche Lektüre. Daaaaanke für die tolle Vorstellung des Buches. Dem Interview darf ich mich nicht entziehen. Fragt sich nur ob vor oder nach dem Lesen des Buches.

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    1. Klappentexterin Autor

      Mit allergrößter Freude, liebe Nadine! Ich danke dir für deine Wortmeldung! Schreib mir gern hinterher, wie es dir gefallen hat. Doch es klingt ganz danach, dass ihr beide auch sehr gute Freundinnen werden könntet.

      Mit dem Interview schau einfach… Du kannst es vorher und auch hinterher lesen. Es bleibt hier für dich reserviert und ist jederzeit lesbar.

      Viele Grüße und auch dir noch einen schönen Sonntag,

      Klappentexterin

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