Urlaub. Und das Kommen und Gehen der Bücher.

buecher_stuhlUrlaub ist eine der tollsten Erfindungen der Menschheit. Man kann lange ausschlafen und sich den Alltagsstaub aus den Augen reiben, einfach die Seele baumeln lassen, fremde Länder und Städte erkunden. Und natürlich sich den Kopf darüber zerbrechen, welche Bücher man mit auf die Reise nimmt. Wenn man dann entspannt und erholt zurück nach Hause kommt und noch ein paar Tage hat, bevor man wieder zur Arbeit muss, bietet sich das Aufräumen der Bücherregale an. Übrigens eine meiner liebsten Tätigkeiten. Und weil man im Urlaub nur Schönes anstellt, habe ich mich mal wieder mit großer Freude meinen Papierfreunden gewidmet.

Dabei wundere ich mich, wie sich schon wenige Monate nach dem Umzug und dem damit verbundenen, großen Aufräumen mein aktives Bücherregal quasi von Zauberhand wieder gefüllt hat. Man kann es deshalb auch als Jahreszeitenregal bezeichnen. Es bewegt sich und bedarf deshalb einer ganz besonderen Pflege, wie ein richtiges Haustier eben. Nur, dass es nicht bellt oder schnurrt. Manchmal ächzt es ein bisschen und ähnelt der starken, alten Linde vor unserer Wohnung. Dann weiß ich immer, es wird allerhöchste Zeit für die Pflege.

Mein Jahreszeitenregal ist das einzige Bücherregal in der Wohnung, das eine feste Struktur hat. Hier sind ausschließlich ungelesene Bücher versammelt. Vor dem Umzug war es sogar doppelreihig gefüllt, kurz danach hatte es noch ein paar Lücken. Die sind mittlerweile verschwunden. Als ich kürzlich anfing, Bücher auf Bücher zu legen, stöhnte das Regal und ich verstand: Es besteht dringender Handlungsbedarf.

Mein Regal ist nach Prioritäten sortiert – in den oberen Reihen stehen die Neuheiten der kommenden Saison, die ich gern lesen möchte, ganz unten stehen vier Krimis und zwei Jugendbücher. Dazwischen Bücher aus den vorherigen Jahreszeiten – denn man schafft ja nie alles und ich sträube mich dagegen, Bücher zu überfliegen. Gut, viele lese ich an, um ein Gespür für die Sprache und die Geschichte zu bekommen. Einige lese ich dann weiter, wenn alle Novitäten vorliegen. Andere nicht, die wandern dann eins oder zwei Regalböden tiefer. Ja, und da stehe ich, wie bereits im April dieses Jahres vor der großen Frage: Welche Bücher dürfen bleiben? Welche nicht?

fußbodenBesonders schön an dieser Tätigkeit ist die Luft, die entsteht. Es ist, als würden die Bücher nach einem langen Winterschlaf ihre Seiten strecken. So strecke auch ich mich innerlich mit. Nach Marie Kondos Ansatz nehme ich jedes Buch in die Hand und überhöre dieses Mal ihren Satz: »Irgendwann kommt nie!« Und sage: »Lassen Sie uns noch mal am Ende des Jahres darüber sprechen. Jetzt fühle ich zu viel bei den meisten Büchern.«

Ich mache wunderbare Entdeckungen und breche so das Kondosche Gesetz, das da lautet: »Hineinlesen ist beim Aussortieren verboten.« So finde ich mich plötzlich in Judith Hermanns Erzählband »Lettipark« wieder und kann nicht wieder aufhören, weil ich die Miniaturgeschichten anziehend finde, wie auch ihre zarte Poesie, die sich wie eine dünne Eisschicht über harte Worte legt. Nach ihrem letzten Roman, der mich enttäuscht hat, wollte ich eigentlich nichts mehr von der Autorin lesen. Eigentlich.

Natürlich müssen einige Bücher weichen. So ist das nun mal Leben – ein stetiges Kommen und Gehen. Am Ende habe ich tatsächlich einige Titel aussortiert. Während ich mich noch ein bisschen im Blues des Abschiedschmerzes suhle, summt mein Jahreszeitenregal voller Glück. Ich stimme schließlich mit ein und winke nicht nur dem schönen Urlaub hinterher, sondern verabschiede mich von den aussortierten Büchern. Denn es werden andere Leser kommen, die sich für sie interessieren. Vielleicht ja, wenn diese ihre nächste Reise planen.

4 Gedanken zu „Urlaub. Und das Kommen und Gehen der Bücher.

  1. Blumentorte

    Mir gehen nie die Bücher aus, nur die Laune aus der heraus ich manche gekauft habe. Dann sitze ich vor den „ewig Ungelesenen“ und frage mich irritiert, warum ich nicht einfach irgendeines herausnehmen und lesen kann, schließlich hat sie mir kein Fremder auferlegt, sondern ich selbst. Es ist ein bisschen so, wie vor dem vollen Kleiderschrank „ich habe nichts anzuziehen“ – stimmt eben nicht, man hat nur eine Stimmung oder einen Anlass, zu dem vermeintlich nichts im Hause ist. Aussortieren ist ebenso schwierig: woher weiß ich , was ich nie mehr lesen will? Schöner Blogbeitrag, hat angeregt. 🙂

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