Auf geht´s in spannende Welten! Mit von der Partie: Ein Hitlerkäfer, Georgien, Die Tollen Hefte und Kafka.

Samstagmorgen, 7 Uhr. Der Wecker zeigt sich von seiner lautesten Seite, ich schrecke hoch und denke: Moment, habe ich heute nicht frei? Als ich alle Sinne beisammen habe, fällt es mir ein: Ich will um 10 Uhr in Kreuzberg bei Kirchner Kommunikation sein, wo die #Spreepartie beginnt. So hüpfe ich freudig aus dem Bett, einem inspirierenden literarischen Samstag entgegen.

Bevor es losgeht, wird erst einmal bei den Kirchner Damen gefrühstückt.

Als Stephanie Haerdle die #Spreepartie eröffnet, spricht sie von einer Art Klassentreffen, da sich die meisten Blogger ja untereinander kennen. Der Bloggertag findet bereits zum zweiten Mal statt, für mich ist es eine Premiere. Es ist immer wieder schön, wenn wir Blogger uns im echten Leben wiedersehen und gemeinsam ins Büchermeer tauchen. Dorthin schwimmen wir als Erstes mit Lucia Jay von Seldeneck und Florian Weiß. Sie nehmen uns mit in die Tierwelt, in der es von spannenden Geschichten nur so wimmelt. »Wir wollten absurde Geschichten, die man weitererzählt«, erzählt der Illustrator Florian Weiß.

Tierische Geschichten und ein Wunderstift

Von solchen Kunstwerken gab es einige zu bestaunen. Dieses hier entstand auf Kuba.

Im Herbst erscheint das Projekt in Buchform beim kunstanstifter Verlag. Es trägt den ziemlich langen Titel »Ich werde über diese Merkwürdigkeit noch etwas drucken lassen«. Lucia Jay von Seldenbeck hat uns kleine Dummies mitgebracht, die wir neugierig durch die Runde wandern lassen. Und kichern, als wir vom »Hitlerkäfer« erfahren, dessen Geschichte eigentlich eine traurige ist, da er fast ausgestorben ist.
Claudia Eder ist die Gestalterin des Buches, sie bringt Texte und Bilder zusammen. Lucia Jay von Seldenbeck, die ich als Autorin u.a. von der Buchreihe »111 Orte, die man in Berlin gesehen haben muss« kenne, übernimmt den Part der Geschichtenerzählerin und hat eine Kurzgeschichte zu jedem Tier geschrieben. Florian Weiß zeichnet die Bilder mit einem besonderen Werkzeug, das wir alle bestaunen, denn das Gerät war in seinem ersten Leben eine indonesische Tattoomaschine. Mit seiner Punkte-Zeichnen-Technik hat der Illustrator, der sich seit seiner Kindheit zum Meer und seinen Bewohnern hingezogen fühlt, umwerfend schöne Bilder von Tieren gezeichnet, die wir bestaunen. Und er nicht nur seine Punktiermaschine mitgebracht, sondern auch schon Bilder, die u.a. auf Kuba entstanden und auf dem Blatt oben rechts kleine Wellen vom Wasserspuren zu sehen sind. Die Bloggerin Juliane vom Blog Poesierausch probiert den magischen Stift aus und zeichnet einen Spatzen. Wie fühlt sich das an? »Irgendwie sehr beruhigend«, antwortet sie. Gerade wollen wir uns weiter in Gespräche vertiefen, da rufen die Damen von Kirchner zum Aufbruch. Die nächste Verabredung wartet schon in Berlin-Mitte.

Mit dem Weidle Verlag nach Georgien und um die Welt

Strahlend begrüßt uns eine halbe Stunde später das Verlegerpaar Barbara und Stefan Weidle im Berliner Büro. Auf einem langen Tisch erwarten uns Wasser, selbstgemachte Holunderlimo, Wassermelone und Knabbereien. Auch hier mache ich wunderbare Entdeckungen und erfahre, dass der Weidle Verlag im nächsten Jahr sein 25jähriges Jubiläum feiert. Am Anfang stand das Interesse für jüdische Exilliteratur. »Eigentlich wollten wir keinen Verlag, aber wir wurden im Laufe der Zeit Verleger«, erzählt Barbara Weidle. Exilliteratur gehört immer noch zu ihrem Verlagsportfolio, ebenso internationale Literatur des 20.- und 21. Jahrhunderts. Mit dem Weidle Verlag habe ich schon einige Länder bereits und viele spannende Geschichten gelesen. Bei Weidle liegt eins meiner Herzensbücher vor: »Die Manon Lescaut von Turdej«. Ein besonderes Buch, das sich seit 2013 mit dem »Hotlist«-Preis schmückt.

Jetzt noch an der Wand, bald auf dem Buchcover: die Buntstiftzeichnung auf Papier von Levke Leiß.

Das Verlegerpaar freut sich genauso über die Welten, die ihnen die Literatur eröffnet, wie die neugierigen Köpfe, die ihnen am Samstagmittag lauschen. Wie kommen die Bücher zu uns? Wie spüren die beiden Autoren auf? Manchmal ist es der Zufall, manchmal der Austausch unter fremdsprachigen Verlegerkollegen. Ein möglicher Kandidat wird von mehreren Augen gelesen, auch die jüngeren Mitarbeiter des Verlages werden miteinbezogen. »Wir wollen ja auch die jungen Leser erreichen«, sagt Stefan Weidle. Sind sich alle einig, geht es an die Übersetzung. Die kann bisweilen sehr knifflig sein, wie kürzlich bei »Dagny oder ein Fest der Liebe« von Zurab Karumidze, das im September erscheint und mich schon jetzt mit einem wundervollen Cover von der Berliner Künstlerin Levke Leiß entzückt. Das Bild hängt an der Wand und wird für einige Minuten zu einem begehrten Fotomodell.

Zurück zum Inhalt. Der bekannteste georgische Autor Zurab Karumidze hat in Amerika über den postmodernen Roman promoviert und auf Anraten seiner Frau das Buch in Englisch geschrieben. Es sei sehr komplex, enthalte viele wichtige georgische Fakten. Ein Buch, das in die Geschichte Georgiens und von Tiflis entführe und von einer interessanten Frau – Dagny Juel – berichtet, die es wirklich gegeben hat und ihrer Zeit voraus war. Der Mystiker Georges Gurdjieff kommt ebenfalls darin vor wie ein sprechender Rabe, der Maler Niko Pirosmani, ein tibetischer Schamane und viele andere. Das Werk könnte auch als Einstieg für das nächste Gastland der Frankfurter Buchmesse 2018 dienen. Bevor ein Weidle Buch aber publiziert wird, muss es sich einer strengen Qualitätsüberprüfung unterziehen. Ganz am Anfang widmet sich das Verlegerpaar der Frage nach der richtigen Schrift und dem Cover. »Das ist manchmal sehr herausfordernd«, sagt Stefan Weidle. Es sei sehr wichtig, dass auch die Schrift zum Inhalt passe. Was für uns einfach nur schön aussieht, ist das Ergebnis eines langen Prozesses von einem Verlag, dem nicht nur die Inhalte am Herzen liegen. Wer jemals ein Weidle Buch in den Händen gehalten hat, weiß genau, wie wunderbar sich das anfühlt.

Das Ministerium für Illustration und Tolle Hefte

Im Ministerium für Illustration hängen viele schöne und unterschiedliche Bilder.

Dieser Bukowski hat es mir angetan.

Die dritte Station führt uns in ein Ministerium der besonderen Art. Im »Ministerium für Illustration« hängen unterschiedlich große Bilder an den Wänden. Henning Wagenbreth ist der Betreiber der Galerie, der uns seine Geschichte erzählt. Hier ist es still, während draußen das Leben vorbeieilt. Neben ihm steht Rotraut Susanne Berner, ausgezeichnete Illustratorin und Herausgeberin der »Tollen Hefte«, die seit über 25 Jahren bei der Büchergilde erscheinen. Seit dem Tod ihres Mannes führt sie die Tradition weiter, und die Begeisterung der Herausgeberin ist ansteckend. Wie sie uns von dem einzigartigen Flachdruckverfahren berichtet, in dem die Bilder in Farben zerteilt werden, lässt uns staunen. Oder der Konflikt, in dem sie manchmal selbst als Illustratorin und Herausgeberin steht. So musste die Münchnerin zunächst die Heftausgabe Nr. 46 verschieben. »Aber es erscheint noch. Versprochen!« Ausgewählte Hefte sind mittlerweile Unikate, und zu jedem hat die Herausgeberin mindestens eine schöne Anekdote parat. Henning Wagenbreth hat selbst schon zwei Hefte gestaltet. »Die blauen Geister von New Orleans« ist ein herrlich buntes Farbenspiel. Ich bleibe auch bei Charles Bukowski hängen und lache über das beigefügte Poster, das als Beigabe in jedem Heft zu finden ist. In einer Zeit, in der sich die Welt multimedial ist, erstrahlen solche Publikationen in einem besonderen Licht und nehmen uns tatsächlich mit auf Reisen in andere Zeiten und Welten. In die Zeit der Wundertüten und Kaugummiautomaten, die unsere Kinderaugen anstaunten.

Mit Kafka & Felice bei Fräulein Schneefeld & Herrn Hund

Ein liebevoll dekorierter Tisch, passend zu den blauen Büchern aus dem Aviva Verlag.

Autorin Unda Hörner im Gespräch.

Die nächste Zeitreise erwartet uns am späten Nachmittag. Es geht zum Prenzlauer Berg, in die außergewöhnliche Buchhandlung »Fräulein Schneefeld & Herr Hund«. Hier gibt es nicht nur ein sorgsam ausgewähltes Sortiment an feinen Büchern, herrlich schöne blaue Wände, sondern obendrein jede Menge hochwertige Schokolade, Pralinen und köstliches Eis. Im hinteren Bereich des Ladens stehen die Stühle für uns bereit. Neugierig folgen wir der Autorin Unda Hörner in ihr Buch, das im Herbstprogramm bei ebersbach & simon erscheint: »Kafka & Felice«. Als Inspirationsquelle dienten der Autorin Kafkas Briefwechsel mit einer jungen Frau namens Felice. Das ungewöhnliche Paar pflegte eine Brieffreundschaft, war zweimal verlobt und dennoch gab es in der Liebesbeziehung zwischen Berlin und Prag kein Happy End. Was die beiden verband, wer sich hinter dem unbekannten, schön klingenden Namen »Felice« verbirgt, das dürfen wir demnächst erlesen. Vorher gibt es für uns ein weiteres und vielversprechende Buch von Unda Hörner: »Ohne Frauen geht es nicht – Kurt Tucholsky und die Liebe«. Als um 18 Uhr draußen die Kirchenglocken läuten, neigt sich ein besonderer Samstag im Juli dem Ende zu. Und die Klappentexterin ist voller Freude, Teil einer so inspirierenden Partie gewesen zu sein.

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