Hoffen. Loslassen. Leben.

Es gibt Dinge im Leben über die lässt es sich schwer schreiben, weil sie an für sich schon schwer genug sind und einem das Gefühl geben, davon erdrückt zu werden. Manchen Menschen gelingt es dennoch von dem Gewicht eine große Scheibe abzuschneiden, sie in den Wind zu streuen, so dass man ganz bald wieder an den Morgen und die Hoffnung glaubt. Helen Garner hat das geschafft, auf eine wunderbare Weise, die bewegt und einen lebendig hält. Trotz allem.

Die Journalistin erzählt in ihrem Buch Das Zimmer von einer krebskranken Freundin Nicola, die sie bei sich aufnimmt. Nicola hat Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Mit einer speziellen Therapie will sie nun die Krankheit besiegen. Für die zahlt sie viel. Mehr als beide Freundinnen tragen können. Als Helen sich zu diesen Schritt entscheidet, ahnt sie nicht im Ansatz, was es bedeuten wird. Es gibt keine Nacht, in der sie durchschläft. Sie wechselt die durchschwitzte Bettwäsche ihrer Freundin. Schlimmer noch sind für sie allerdings die Fahrten zu der Klinik, die Nicola verspricht, mit einer hohen Vitamin C Dosis und einer Ozonsauna, den Krebs zu besiegen. Diese Form von Medizin schwächt ihre Freundin mehr als dass sie ihr gut tut.

Helen Garner erzählt sehr offen. Sie bewegt den Leser von der ersten bis zur letzten Seite, weil sie genau beschreibt, was sie fühlt. Oft glaubt man mitten in ihrem Kopf und neben ihrem Herzen zu hocken. Sie geht dabei enorm feinfühlig und direkt vor, dass man ihre Wut und Verzweiflung regelrecht spürt. Die Augen flattern, das Herz stockt, die Haut kräuselt sich und man selbst schaut auf, sucht sich einen festen Punkt an den man sich festhalten kann.

Dieses Buch berührt und hält einen vor Augen, wie kostbar das Leben ist. Es zeigt, dass man manchmal Dinge, so sehr es auch weh tut, annehmen und sie irgendwann loslassen sollte. Dabei streut die Autorin weise Sätze hinein, die einen aufatmen und kurz darauf innehalten lassen, dass man für einige Sekunden die Sonne vergisst, sie aber im nächsten Atemzug noch mehr genießen kann.

Tod und Krankheit sind Themen über die wir lieber schweigen, weil uns manchmal selbst die Worte fehlen, wir fast ohnmächtig sind, doch Helen Garner hat es geschafft, darüber so zu schreiben, dass trotz allem ein kleiner Schimmer Hoffnung zurückbleibt und man leise lächelt.

Das Zimmer.
Helen Garner.
Februar 2010, 173 Seiten, 8,95 €.
Bvt.

2 Gedanken zu „Hoffen. Loslassen. Leben.

  1. Karin

    Liebe Klappentexterin,

    was für eine schöne und einfühlsame Rezension hast du geschrieben! Deinen Text lese ich immer wieder. Die Überschrift deines Blogeintrages habe ich mir in mein Tagesskizzenbuch notiert.

    Romane wie Erfahrungsberichte über Krankheit und Tod nehme ich offengestanden nur mit Vorsicht zur Hand. „Betroffenheitsliteratur“ liegt mir gar nicht. Sie ist mir oft zu laut, zu aufdringlich und in Selbstmitleid badend. Der Roman von Helen Garner scheint eine andere, leisere Tonart anzustimmen. Und das gefällt mir sehr.

    Danke für deine Empfehlung!

    Lieben Gruß von Karin

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  2. karfie

    Das Buch war eines meiner Highlights im vergangenen Jahr. Du hast es wunderschön wiedergegeben mit deiner Rezension dazu!

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