Manchmal ist die Antwort näher als du denkst.


Dein Herz sagt dir alles. So einfach ist das eigentlich. Dumm nur, wenn man dem Verstand fast mehr glaubt als dem Gefühlsei da zwischen der Brust. Ist ja auch schwierig. Immerhin kommt dir der Verstand mit Argumenten, in der Regel mit plausiblen sogar. Das Herz hingegen lässt dich nur fühlen. Wem glaubst du nun mehr? Eine komplizierte Kiste ist das alles für uns Menschen – den Großen wie den Kleinen. Und als heranwachsendes Mädchen kann das schon sehr verwirren. Besonders, wenn ein Mord dazwischen funkt.

Wie in Lilienblut von Elisabeth Herrmann. Dort wird Amelie eines Morgens tot im Wald aufgefunden, nur wenige Meter entfernt stand einige Stunden zuvor ein altes Lastschiff. Sehnsucht hieß es. Die weckt auch der junge Mann, dem das Schiff gehört. Amelie und Sabrina – beides sehr gute Freundinnen – sind dem fremden Jungen sofort verfallen. Sie haben Kilian auf seinem Boot besucht. Viel mehr schnüffelten sie dort herum und wurden von ihm erwischt. Neugierig berochen sie sich gegenseitig wie Hunde und wollten nochmal zusammenkommen, zu groß war der Zauber und die Sehnsucht. Sabrina ließ ihre Freundin jedoch den Abend allein erleben, kehrte zurück nach Hause und am nächsten Morgen ist nichts mehr wie es war. Amelie ist tot. Sofort gerät Kilian unter Verdacht, doch Sabrina kann das nicht glauben. Sie macht sich selbst auf die Suche und stößt dabei gleichzeitig auf einen Mord, der acht Jahre zuvor an gleicher Stelle passiert ist.

Elisabeth Herrmann ist ein beeindruckender Jugendroman gelungen. Auf dem Cover steht in scharfen Buchstaben Thriller geschrieben, doch es steckt da viel mehr drin. Ein vielschichtiges Werk ist das! Sie zeichnet ein unglaublich verführerisches Bild vom Münsterland am Rhein. Dort gibt es zahlreiche Weinberge und man riecht förmlich die reifen Trauben. Ich bin noch nie dort gewesen, möchte aber irgendwann da hin, weil ich nun einen Ort gefunden habe, der mich begeistert. Das ist die eine Seite. Die andere ist düster. Stachelig und unheimlich. In großen Lettern prankt das Wort Mord und der Verlust eines geliebten Menschen vor einem, das hinterlässt Spuren, auch beim Leser.

Sicherlich steht im Vordergrund der Mord und die Suche nach dem Täter, aber dazwischen liegen noch einige Gesteinsschichten, in denen sich alle Mädchen wiederfinden. Mit feinfühliger Hand schildert die Autorn das Heranwachsen und die damit verbundenen Konflikte. Der Wunsch, eigene Wege zu gehen und nicht mehr auf das zu hören, was die Großen sagen. In Sabrinas Fall ist das ihre Mutter, die nun auch noch einen neuen Mann kennengelernt hat. Außerdem stellt sich für das Mädchen die Frage, was sie beruflich machen soll. Den Familienbetrieb übernehmen oder was anderes? Gehen oder bleiben? Und dann ist da noch die Sache mit der großen Liebe. Sabrina kann Kilian nicht vergessen, gleichzeitig buhlt Lukas um die Liebe der jungen Frau. Er ist lieb und nett, tut alles, aber irgendwas fehlt. Da ist nicht der Funken, wie ihn einst Kilian in Sabrinas Herz zum Glühen gebracht hat. Sabrina jagt nicht nur einen Mörder, sondern kämpft mit dem Verstand und dem Herzen. Was die einen sagen, passt nicht zu dem, was sie selbst denkt und fühlt. Eine Zwickmühle, aus der sie entfliehen will und muss. Wird es ihr gelingen?

Die Autorin hat die Geschichte in einer einfachen Sprache erzählt. Doch Elisabeth Herrmann wäre nicht Elisabeth Herrmann, wenn sie ihre Leser nicht überraschen würde und das hat sie auf eine zauberhafte Art getan. Sie hat in einigen Passagen – gerade dann, wenn Sabrina nicht wusste, was sie machen sollte – kleine weise Denkanstöße ans Tageslicht gezogen, die nachdenklich machen und unwahrscheinlich ermutigen. Auch ich als Leserin habe plötzlich einen Schub an Energie in mir gespürt als hätte mir Popeye gleich drei Dosen Spinat in den Mund geschaufelt. Die Gedanken stammen aus Amelies Tagebuch, das Sabrina an sich genommen hat. Jedes Mal in Minuten der Zweifel, befragt sie es wie ein Orakel. Dass sie damit eigentlich ihren Verstand überlistet, bemerkt sie noch nicht.

Dies ist ein bemerkenswertes Buch, das ich jedem Mädchen in dem Alter von 15-17 Jahren schenken möchte. Dort steckt neben der Spannung das drin, was man genau dann hören möchte. Selbstzweifel, ungelöste Fragen, eine ordentliche Portion an Kraft, über sich hinaus zu wachsen. Und es sagt einem ganz deutlich, auf das eigene Herz zu hören, egal, was der Verstand in das Ohr plappert. Damit lösen sich oft einige Dinge wie von selbst. Manchmal sogar ein Mord? Das wird nicht verraten. Das müsst ihr schon selbst lesen!

Lilienblut.
Elisabeth Herrmann.
Altersempfehlung (Verlag): ab 13 Jahren.
März 2010, 448 Seiten, 17,95 €.
cbt Verlag.

Mehr lesen über Elisabeth Herrmann könnt ihr alle aber am Donnerstag. Dann verrät sie uns, wie sie über Träume denkt.

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