Nur noch schnell die Welt retten.

Da liegt er vor mir, Der wichtigste Comic der Welt, und er verspricht nicht weniger, als Geschichten zur Rettung der Welt. Das sind hehre Ansprüche, selbstbewusst formuliert. Obendrein sprengt der Umfang dieses Buches den eines Comics um Welten – kiloschwer und hunderte Seiten stark.

Das Thema ist ja auch nicht leicht. Zumal der Band noch mit den Beiträgen von Berühmtheiten aufwartet: Peter Gabriel, Jane Goodall, Luisa Neubauer und Yoko Ono, um nur ein paar zu nennen. Also jede Menge großer Namen für ein großes Anliegen.

Was jeder von uns tun kann

Trotzdem möchte ich sozusagen im Kleinen beginnen. Mit einer Frage, die ich mir selbst jeden Tag stelle: Was kann ich als kleinste Einheit, als einzelner Mensch dazu beitragen, damit dieser Planet weiterhin ein lebenswerter Ort bleibt?

© Illustration: Panini Verlag

Soweit sollten wir uns einig sein: Die Zeit wird knapp. Jeder neue Monat ist der wärmste seit Aufzeichnung der Wetterdaten, auch im Winter. Und selbst der war erneut nicht das, was wir etwas Ältere unter einem richtigen Winter verstehen. Zudem warnen Wissenschaftler immer eindringlicher, dass wir fleißig dabei sind, die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu verfehlen. Mehr noch: Die Erderwärmung schreitet derartig massiv voran, dass bestimmte Szenarien bereits viel früher eintreten könnten.

Was also kann ich als Einzelner tun? Erstmal – so oft wie möglich im Bioladen einkaufen. Das Überraschende: Dort sind viele Lebensmittel günstiger als konventionelle Produkte. Soviel zum Märchen, dass Bio stets teuer sein muss. Warum ist das so? Weil die multinationalen Lebensmittel-Konzerne schamlos sämtliche Krisen der letzten Jahre ausgenutzt haben, um die Preise für ihre sogenannten Marken-Produkte in die Höhe zu schrauben.

Simulationen von Nahrung

Wobei es mir oft schwerfällt, deren Produkte tatsächlich als Lebensmittel zu bezeichnen. Es sind industriell hergestellte Waren, die unendlich viele Zusatzstoffe enthalten. Allesamt Stoffe, die billig zu beschaffen und obendrein ungesund sind. Sie dienen einzig dazu, den Mythos des Markenartikels aufrecht zu erhalten und somit hohe Preise zu rechtfertigen.

Ein Beispiel: Die verschiedenen Eissorten eines namhaften Herstellers, den wir alle seit Kinderzeiten kennen und längst geschluckt von einem Big Player der Lebensmittelindustrie. Die Folge: Statt Milch oder gar Sahne wird als Grundstoff lediglich billiges Milchpulver verwendet. Das Erschreckende: In sämtlichen Produkten dieses Herstellers, egal zu welchem Preis sie verkauft werden, steckt exakt die gleiche Grundmasse. Und natürlich viel zu viel Zucker. Nogger dich krank!

Jedenfalls sind viele von den Sachen, die wir aus Kindertagen kannten und, ja, auch irgendwie geliebt haben, weil sie uns so vertraut waren und wir ihnen vertraut haben, eigentlich toxische Dinge, die mit echten Lebensmitteln ungefähr so viel zu tun haben wie die echten Abbas mit ihren Avataren. Simulationen von Nahrung.

Weniger, aber besser essen

Als wir noch an der Nordsee wohnten, haben wir uns vorwiegend aus drei Quellen ernährt: Einem Landladen, einem Bio-Hofladen und, ja, dem ortsansässigen Supermarkt. Über den Segen von Hofläden im ländlichen Raum sind nicht mehr viele Worte nötig. Nur soviel: Dort bekommt ihr Lebensmittel sozusagen aus erster Hand, oft frisch vom Feld. Das ist nicht nur wahnsinnig nachhaltig, ihr wisst auch, woher die Lebensmittel wirklich kommen und dass sie nicht durch halb Europa gekarrt wurden.

© Illustration: Panini Verlag

Weil es dort aber nicht alles gibt, empfiehlt sich tatsächlich der Gang zum Supermarkt eures Vertrauens. Denn die haben auch dazugelernt. Soll heißen: In fast jedem Supermarkt gibt es mittlerweile eine große Auswahl an Bio-Produkten und meist auch Obst, Gemüse und Fleisch von regionalen Produzenten.

Obendrein sind kleine, oft biologisch arbeitende Bäckereien den bekannten Ketten vorzuziehen. An der Nordsee kamen wir in den Genuss von Brot- und Backwaren aus der legendären Joldelunder Bäckerei. Die übrigens viele Hof- und Bioläden im Norden beliefert, sodass wir selbst nach unserer Rückkehr nach Hamburg Brot bekommen, das nach einer Woche noch frisch und saftig ist.

Sicher, viele von uns müssen rechnen. Aber esst lieber weniger, dafür besser.

Wieviel Auto braucht der Mensch?

Aus dieser Zeit im ländlichen Raum stammt auch die Notwendigkeit, ein Auto zu besitzen. Wir entschieden uns für einen Mini One mit der kleinsten Motorisierung von 75 PS. Von der eine Fachzeitschrift damals abriet, weil sie, sinngemäß, zu schwächlich sei.

Wir sind nun in knapp vier Jahren über 30.000 km mit dem hübschen, kleinen Auto gefahren. Ich betone das, weil die allermeisten Autos mittlerweile zu hässlichen, übergewichtigen Monstern mutiert sind.

So können wir die abschätzige Meinung der Bleifuß-Fraktion nicht bestätigen. Für zwei Personen ist das nicht nur ein vollwertiges Auto, auch der Motor hat uns nie das Gefühl gegeben, mit einer Wanderdüne unterwegs zu sein. Weder auf der Landstraße, noch auf der Autobahn. Überhaupt – nach einer Reise auf deutschen Autobahnen, ständig bedrängt und genötigt von Fahrern, die wie aggressive Reptilien hinterm Steuer agieren, möchte man nur noch rufen: Her mit einem Tempolimit!

© Illustration: Herr Klappentexter

Wenn der Leasingvertrag im Sommer ausläuft, werden wir uns in der Stadt selbstverständlich kein Auto mehr zulegen. Die Klappentexterin fährt zu 80% mit dem Fahrrad zur Arbeit, nur bei wirklich fiesem Wetter nutzt sie die Öffis. Letztere sind für mich aus verschiedenen Gründen keine Option, dann wird eben ein zweites Fahrrad angeschafft und für größere Einkäufe gibt´s Carsharing.

Aber dass auch bei uns noch Luft nach oben ist, um auf das Buch zurückzukommen, haben wir aus dem Comic erfahren. Der Titel mag etwas zu absolut klingen, es zählt jedoch der Inhalt. Und der hat´s in sich, weil er nichts beschönigt, sondern uns glasklar vor Augen führt, welches Gift wir selbst mit einigermaßen bewusstem Konsum in die Umwelt schleudern.

Jeans und Smartphones – echte Ressourcenfresser

Wusstet ihr, dass eine stinknormale Jeans etwa 3.000 Liter in der Herstellung verschlingt? Und dass eine von den angesagten Stretchjeans voller giftiger Substanzen, die nicht nur Menschen und Tieren vergiften, sondern auch voller Mikroplastik ist? Diesen fiesen, kleinen Teilchen, die aus den Weltmeeren Ozeane voller Plastik machen. Da fällt mir eine Story ein, die ich gerade gelesen hab: In Berlin gibt es einen Laden, der ausschließlich Jeans aus Japan verkauft. Sollen was Besonderes sein und werden um den halben Erdball transportiert, um die Ärsche von deutschen Hipstern zu zieren. Ab 200,- € das Stück.

© Illustration: Panini Verlag

Kompostierbar werden die auch nicht sein. Aber eben das sollten nachhaltige Jeans sein. Mal sehen, wo es solche gibt.

Oder die Handys bzw. Smartphones. Gibt ja immer noch Leute, die jedes Jahr das neueste Model brauchen. Warum eigentlich? Gebe zu, ich nutze seit Jahrzehnten Apple-Produkte, weil mir die ursprüngliche Idee dahinter gefiel und das Design immer noch eine Augenweide ist. Mein iPhone ist drei Jahre alt, funktioniert prächtig und ist als 12 Mini zudem groß genug und zugleich so handlich, dass es in jede Jackentasche passt. Aber die Minis werden nicht mehr produziert, die neueren Modelle sprengen größentechnisch jeden vernünftigen Rahmen.

Ich mag eine Ausnahme sein, weil ich das Gerät lediglich zum Telefonieren, Nachrichten verschicken und gelegentlichem Fotografieren nutze. Staune stets aufs Neue, dass viele Menschen, sobald sie das Haus verlassen, ihr Smartphone quasi als verlängerte Hand vor sich hertragen, als wäre es ebenso unverzichtbar wie unsere Gliedmaßen.

© Illustration: Panini Verlag |

Sie liefern sich diesem Teil gnadenlos aus, kein Schritt wird mehr ohne getan, kein Einkauf ohne erledigt, sie haben quasi ihr ganzes Leben in dem Ding drin. Das macht natürlich wahnsinnig abhängig. Und empfänglich dafür, immer das neueste Gerät besitzen zu wollen.

Was dabei vergessen wird: In jedem einzelnen von den teuren Geräten stecken wertvolle Rohstoffe, für die unser einzigartiger Planet gnadenlos geplündert wird. Schlimmer noch: Diese Stoffe werden oft unter unmenschlichen Bedingungen gefördert, noch dazu nicht selten von Kindern.

Verantwortungsvoller Konsum

Beide Beispiele sollen hier genügen. Stehen sie doch stellvertretend für eine Menge Produkte, die wir tagtäglich recht gedankenlos konsumieren. Weil wir´s so gewohnt sind, seit Jahren, seit Jahrzehnten. Die Wirtschaft muss schließlich am Laufen gehalten werden und sie muss ständig wachsen. Jede noch so seriöse Nachrichtensendung schaltet regelmäßig in die Frankfurter Börse, um die neuesten Jubelmeldungen einzufangen. Aber was bedeutet das eigentlich, dieser Fetisch des stetigen Wirtschaftswachstums? Doch nix anderes, als dass der Planet jeden Tag ein Stückchen mehr belastet und ausgebeutet wird.

Ja, es heißt, dass der Kapitalismus die beste aller Wirtschaftsformen ist, weil er alle anderen Ideen überlebt hat. Aber ist er deshalb sakrosankt? Sollte er nicht.

Aus einem einfachen Grund: Weil wir nur diesen einen Planeten zur Verfügung haben, der jetzt schon unter zu vielen Menschen und ihrem Konsumverhalten ächzt. Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden eines Tages auch die tollsten technischen Lösungen, die ja immer wieder gern als Argument für ein Weiter-so bemüht werden, nicht mehr helfen. Dann haben wir uns zu Tode konsumiert.

„Der Konsum, von dem sie uns gesagt haben, dass er unser Leben verbessert und uns reicher macht, zerstört eigentlich unseren Seelenfrieden, unser Selbstwertgefühl und unser Gefühl der Sicherheit.“ George Monbiot, der für den Guardian schreibt, bringt es auf den Punkt.

Es wird uns immer noch eingeredet, ständig was Neues zu brauchen. Vor allem Kleidung und technische Produkte verschlingen unglaublich viele Ressourcen, ebenso die Ernährung mit vorwiegend industriell hergestellten Nahrungsmitteln. So sollten wir uns zukünftig stets drei Fragen stellen, bevor wir etwas kaufen: Was hat es wirklich gekostet? Auf welchen Kosten wurde es produziert? Brauche ich´s wirklich?

Die Erde wird nicht größer

Um auf die Auto-Frage zurückzukommen: Ist es nicht absurd, dass in einer Welt, in der Ressourcen und Platz knapp sind, immer größere Autos gekauft werden? Dabei ist es völlig egal, ob es sich um ein E-Auto handelt oder nicht. Ein Elektro-SUV ist nicht mehr als ein Zwei-Tonnen-Feigenblatt, schleppt es doch bis zu 600kg schwere Batterien mit sich herum, dazu verursachen die gigantischen Reifen und überdimensionierten Bremsen jede Menge Feinstaub. Den wir alle einatmen.

© Illustration: Panini Verlag | War & Peas

Und warum sehen wir auf dem Cover dieses wichtigen Comics einen Wolf? Weil er ein ideales Synonym für alles ist, was gerade in unserem Land passiert. Da kommt ein vor Jahrhunderten von uns Menschen ausgerottetes Tier zurück in unsere Breitengrade und sorgt unter anderem dafür, dass es den Wäldern wieder besser geht, weil er als Raubtier die Bestände des Wildes auf natürliche Weise reguliert. Schaut nur, was im Yellowstone-Nationalpark passiert ist, nachdem in den 90er Jahren wieder Wölfe angesiedelt wurden.

Und bei uns im 21. Jahrhundert? Die gleichen Ängste wie vor 200 Jahren, die gleiche Panikmache wie im Mittelalter. Im Emsland gibt es ein einziges Rudel, und schon gehen 2.000 Menschen zum Demonstrieren auf die Straße. Dieselbe Region, wo in der Papenburg-Werft ein monströses Kreuzfahrt-Schiff nach dem anderen gebaut wird. Da stehen die Leute dann auf den Deichen und klatschen, wenn so eine schwimmende Kleinstadt sich die enge Ems hochschiebt. Gern empfehle ich dazu David Foster Wallace mit seinem Erfahrungsbericht von einer Kreuzfahrt: Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich. Schrecklich ist ein gutes Wort, um die Ignoranz und Gedankenlosigkeit vieler Menschen zu beschreiben, die aus purem Egoismus ihr eigenes Bedürfnis nach unvergesslichen Erlebnissen über den Schutz der Erde stellen, auf der dann ihre eigenen Kinder oder Enkel mit den Folgen ihres Tuns klarkommen müssen.

Ach, wie wunderschön ist doch unsere Erde, wenn man sie vom Weltraum aus betrachten kann. So zitiere ich zum Schluss David Bowies Major Tom, den sympathischsten Astronauten aller Zeiten: „Planet Earth is blue, and there´s nothing I can do.“ Und muss ihm, so ungern ich´s tue, widersprechen: Es ist immer noch sehr, sehr viel, was wir tun können, um diesen wunderbaren blauen Planeten zu retten.

Bitte, fangt an, die Welt zu retten. Alle! Jetzt! Bevor es wirklich zu spät ist.

Der wichtigste Comic der Welt – Geschichten zur Rettung des Planeten, präsentiert von Rewriting Earth, mit einem Vorwort von Jane Goodall, Panini Verlag, 360 Seiten, 39,- €

David Foster Wallace – Schrecklich amüsant – Aber in Zukunft ohne mich, Kiepenheuer & Witsch, 176 Seiten, 12,- €

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