Wieder ist es passiert. Wieder habe ich ein Werk von Anton Tschechow nicht gelesen, sondern gesehen. Als Theaterstück. In Frank Castorfs Inszenierung „Nach Moskau! Nach Moskau!“.

Der Intendant der Berliner Volksbühne hat Tschechows „Drei Schwestern“ und die Erzählung „Die Bauern“ damit auf die Bühne gebracht. Ganz nach alter Manier wurde geschrien, um sich geworfen, randaliert und sich aneinander gerieben. Castorf Theater liebt man oder nicht. Ich liebe ihn. Jetzt wieder. Seine letzten Stücke haben mich vor kurzem enttäuscht.
Tschechow mag ich aber immer wieder gern sehen. Meine erste Begegnung war in der Berliner Schaubühne. Damals habe ich „Die Möwe“ gesehen. Ich schätze seine klugen Gedanken und Sätze über die Vergänglichkeit, über das Glück und das Drama dazwischen. Die großen Fragen und die kleinen Fragen. Ja, er fragt viel in seinen Stücken und lässt uns die Antworten selbst suchen. Tschechow war ein Kenner des Volkes. Er reflektiert in seinem Stück „Die Bauern“ die Situation der Armen wieder. Später hat er in „Drei Schwestern“ der russischen Bourgeoisie den Spiegel vors Gesicht gehalten.
Ausgesprochen fühlen sich manche Ausdrücke anders an, als wenn es nur das bloße Auge aufliest. Trotzdem möchte man all das, was sich zwischen dem Zuschauerraum und der Bühne abspielt, auch für sich selbst haben. Aus Neugier auf diesen Autor habe ich mir nach der „Iwanow“ Inszenierung dieses Buch gekauft:

Lange habe ich darin nicht mehr geblättert. Dies werde ich natürlich nachholen. An meinem Klassiker-Sonntag ist das doch ideal! Vielleicht ist es ja so, dass man manche Literaturstücke erst wieder sehen muss, bevor man sie sich zugute zieht? Oder ist es am Ende alles nur Theater? Heute jedenfalls bin ich eine Irina, die sich so glücklich fühlt als säße sie in einem Segelboot „über dem weiße Vögel in einem endlosen blauen Himmel kreisen.“