
Das Buch lag plötzlich in meiner Hand. Wie ist es dort hingekommen? Ganz einfach: Der Titel und das Cover haben meinen Geist quasi von ganz allein bewegt und alles andere angeschubst. Es ist schlicht, fast unscheinbar und doch geht von dem Werk eine Intensität aus, wie ich es selten in der zeitgenössischen Literatur erfahre. Da ist so ein Strudel, der mitreißt. Die Augen verweilen wie von selbst auf dem Buchumschlag. Schnell geriet ich in die Versuchung, mich zu der einsamen Frau am Strand zu setzen, ihren Atem aufzufangen und frische Muscheln in ihre Hände zu legen. So dauert es auch nicht lange, bis man über die ersten Sätze schwebt.
Im Mittelpunkt des Romans „Tagsüber dieses strahlende Blau“ von Stefan Mühldorfer steht der Versicherungsmakler Robert Ames. An einem schönen, sonnigen Freitagmorgen fährt er wie immer zur Arbeit. Alles scheint normal, doch abends steht er plötzlich vor einem Trümmernhaufen seiner Ehe und seines Lebens. Wie ein Kartenhaus fällt alles vor ihm zusammen. Robert verliert nicht an Balance. Viel mehr bleibt er stehen, schaut zurück in seine Vergangenheit und beobachtet im Hier und Jetzt die Gegenwart mit einem präzisen Blick.
Stefan Mühldorfer gelingt es meisterhaft, eine Stimmung zu erzeugen, die sich anfühlt als würde man tatsächlich in einen strahlend blauen Himmel schauen: Der Blick ist leicht von der Klarheit geblendet, doch er ruht in sich und hinterlässt eine bestimmte Dosis an Zuversicht. Es sind die Töne zwischen den Sätzen, die dem Roman einem besonderen Klang geben. Sie sind leise und haben trotzdem die Kraft eines Orchesters. Mit dem Klang im Ohr setzt man sich zwischen die Buchstaben und lauscht ihnen unaufhörlich, weil sich die Gedanken richtig und gut anfühlen. Sie erinnern ein bisschen ans Ankommen nach einer langen Reise.
Dieses außergewöhnliche Werk enthält genau die Dosis an Gedankengut, die man manchmal braucht, um wieder zu sich selbst zu finden. Der Roman bleibt noch lange nach dem Ende im Kopf sitzen, mit ihm zusammen das Bild und Gefühl, wie es ist, wenn man unter einem strahlend blauen Himmel sitzt.
Stefan Mühldorfer
Tagsüber dieses strahlende Blau
April 2009, 240 Seiten, 14,90 €.
dtv.