
Dieses Buch habe ich in mein Herz geschlossen. Weil es von den Königsfedern dieser Welt gefüllt ist und damit eine richtige Juwelensammlung darstellt. So eine, wie man sie sich zu gern an den Tannenbaum hängen möchte. Da sehe ich es als Selbstverständlichkeit, dass ich dieses fantastische Werk auf meinen Blog trage, um ihn damit zu schmücken.
Die wundervolle Anthologie „Jetzt auf allen Bestsellerlisten!“ wurde von Daniel Keel und Daniel Kampa zum 60-jährigen Verlagsjubiläum herausgegeben. Der verstorbene Daniel Keel hat somit ein besonderes Vermächtnis an seine Autoren und uns Lesern hinterlassen. Noch nicht aufgeschlagen, strömt mir bereits die Liebe zum besonderen Buch entgegen. Die entzückende Illustration von Jean-Jacques Sempé auf dem Buchcover beglückt und weckt die Vorfreude aus dem Winterschlaf. Beim Stöbern durch die Inhaltsangabe springen mir etliche „Ahs!“ und „Ohs!“ aus dem Mund, denn ich entdeckte viele mir wohlgesonnene Autoren. Sie winken mir zu und öffnen ihre Türen. Plötzlich sitze ich bei ihnen, lese erstaunt Neues, stoße auf vertraute Klänge, bin tief bewegt, doch schon im nächsten Moment kitzeln sie mir ein Lachen aus dem Bauch und verwöhnen mich mit Liebkosungen literarischer Art. Dies ist ein Hochgenuss des Lesens, so köstlich wie Champagner. Eine Juwelsammlung eben.
Dieses Buch ist wie ein Spaziergang durch die große Weltliteratur. Hier sind sie alle vereint: Patrick Süskind, John Irving, Bernhard Schlink, Ray Bradbury, Joachim Ringelnatz, Benedict Wells, Yael Hedaya, Donna Leon, Kurt Tucholsky, Joseph Roth, Conni Palmen, Carson McCullers, Meir Shalev, Andrea De Carlo, Friedrich Dürrenmatt, Raymond Chandler, Georges Simenon … 60 sind es an der Zahl – zeitgenössische treffen auf klassische SchriftstellerInnen und alle haben eins gemeinsam: Die Liebe zur Literatur. Das ist auch das große Thema, das sich in vier Kategorien aufteilt: Leser, Literaten, Literaturbetrieb, Leselaster. Die Erzählungen sind wie das Leben selbst – unwahrscheinlich abwechslungsreich, ein buntes Kaleidoskop, in das man immer wieder schauen möchte, weil es eine Menge zu entdecken gibt. Es sind nicht nur Kurzgeschichten dabei, auch Auszüge aus Romanen, die zum Thema passen. Die 65 Geschichten entführen mich in die Welt der Literatur. Sie zeigen wieder einmal wie reichhaltig sie ist und warum ich sie so liebe.
So gibt es Schmunzelmomente, wie mit Patrick Süskind, als er in „Amnesie in litteris“ von seinen Lesererlebnissen und den einsetzenden Lücken erzählt. Wie schnell er Gelesenes vergisst, sogar, dass er selbst ein Buch gelesen und wichtige Stelle angestrichen hat. Da nehmen Sie mir wirklich eine große Last, Herr Süskind! Wie oft habe ich an meinem Verstand gezweifelt, weil mir die Inhalte von Büchern nach einer bestimmten Zeit einfach entfallen sind. Als wäre ein Wüstensturm durch mein Gedächtnis gebraust. Viel gelacht habe ich auch beim kurzweiligen Stück von Kurt Tucholsky. „Wo lesen wir unsere Bücher?“ – die Überschrift sagt schon alles. Gleich der Beginn versetzt mich in großes Entzücken: „Wo-? Im Fahren. Denn in dieser Position, sitzend-bewegt, will der Mensch sich verzaubern lassen, besonders wenn er die Umgebung so genau kennt wie der Fahrgast der Linie 57 morgens um halb neun. Da liest er die Zeitung. Wenn er aber zurückfährt, dann liest er ein Buch.“ Ist denn das die Möglichkeit? Kurt Tucholsky hat mich ertappt. Gut, die Bahnlinie ist eine andere, mit der ich morgens fahre, und ich lese bereits auf dem Hinweg ein Buch, aber ansonsten stimmt alles haargenau. Danach folgen weitere Beschreibungen der Leseorte, die äußerst erheiternd und erhellend sind. Als bibliophiler Mensch schaut man die ganze Zeit in den Spiegel, so vertraut ist das Erzählte. Der Mund zieht sich nach oben und grinst sich eins. Herrlich ist das! Die Sammlung enthält aber auch melancholische und nachdenkliche Geschichten wie „Ein Schriftstellerpaar“ von Raymond Chandler oder eine meine Lieblingserzählungen von Carson McCullers „Wer hat den Wind gesehen?“. In den Momenten wird es plötzlich still in mir und mein Atem geht langsamer.
Wie oft hat man das schon? So ein besonderes Buch mit so vielen erstklassigen Autoren. Ein Buch, das in jede heimische Bibliothek gehört und manchmal sogar unters Kopfkissen. Ja, ihr lest richtig. Dorthin habe ich die schöne Leinenausgabe mitgenommen und mir vorgestellt, wie die gesamte Autorenmannschaft in der Nacht in meine Träume marschiert, mit mir tanzt oder bei einem Glas Wein aus dem Schriftstellerleben berichtet.
Ich bin mir sicher, dieses Buch schleicht sich nicht nur in mein Herz. Und ist das ideale Weihnachtsgeschenk an alle Bücherfreunde dieser Welt. Ein Buch zum Gernhaben, zum Bestaunen und zum Verweilen. Und ein besonderes Geschenk vom Verlag mit den schönen weißen Büchern an seine Leser. Vielen Dank dafür, lieber Diogenes Verlag!
Jetzt auf allen Bestsellerlisten. Geschichten vom Lesen, Schreiben und Büchermachen.
Daniel Keel, Daniel Kampa. (Hg)
September 2012, 827 Seiten, 19,90 €.
Diogenes Verlag.