
Was für Maggie ihre Katze, ist für mich dieses Buch: Das besondere Glück, das uns in den Himmel trägt. Es braucht nicht viel, nur ein Augenblick und schon schnurrt der Bauch. Ja, es muss nicht immer eine Katze sein, das weiß ich nun.
Maggie ist die Ich-Erzählerin, der die Autorin Frances Greenslade in ihrem Romandebüt „Der Duft des Regens“ eine Stimme gegeben hat. „Jenny hat mich gebeten, das Ganze aufzuschreiben. Sie wollte, dass ich es für sie sortiere, auffädele, Perle um Perle, eine Geschichte daraus mache, wie einen Rosenkranz, den sie abzählen und immer wieder aufsagen kann. Aber ich habe es auch für sie geschrieben. Für Mom, oder Irene, wie die anderen sie nannten, denn den Teil von sich, der »Mom« war, hatte sie schon vor langer Zeit hinter sich gelassen.“ So beginnt dieser Roman, der mir bereits nach den ersten Sätzen eine Melancholie in die Augen legt. Ich spüre, wie ich allein durch eine verregnete Landschaft laufe. Irgendwo am Horizont sehe ich ein einsames helles Häuschen, das mir die Hoffnungslosigkeit aus den Poren zieht.
Jenny ist die ältere von den beiden Schwestern und doch strahlt Maggie mehr Stärke aus. Vielleicht kommt dies von ihrer Nachdenklichkeit, die sie oft in einen See aus Sorgen schubst. Maggie grübelt über so viel und wird deshalb von ihrer Familie liebevoll die Sorgenmacherin getauft. Ihr Dad befreit sie von dem schweren Paket und sagt, er sei Mister Sicherheit, um ihn müsse sie sich nun gar nicht sorgen. Ihr Dad ist es auch, der mit Maggie im Spätsommer und Herbst fast jedes Wochenende in den Wald geht. Manchmal angeln sie, fahren mit einem Boot hinaus, suchen Pilze und Beeren oder bauen einen Unterschlupf. Ich höre förmlich das Rascheln der Blätter, atme den würzigen Wind des Herbstes ein und genieße die Ruhe, die sich in mir breit macht. Plötzlich stehe ich in einem kanadischen Wald und tanze mit dem Regen.
Doch so harmonisch, wie sich die Geschichte anhört, bleibt sie nicht: „Wir waren eine normale Familie; das ist unsere Geschichte. Unsere Tage bestanden aus Flussufern und Schotterstraßen, Fahrrädern und Grashüpfern. Aber sobald du Gedanken spinnst, öffnest du eine Tür. Du lockst die Tragödie an. Das hat meine Sorge mich gelehrt.“ Ich möchte nichts vorwegnehmen und die Tragödie in dem Buch lassen. Keine kann sie so schön erzählen wie Frances Greenslade. Sie hat eine weiche Sprache, die sie mit wunderschönen Bildern schmückt und mich berührt, sanft streichelt, wenn ich aufgeregt atme. An vielen Stellen wird es warm, als hätte die Sonne dort ihre Strahlen ausgestreckt. Die Autorin schafft eine Nähe zwischen mir und Maggie und den anderen, als wäre ich direkt bei ihnen.
Frances Greenslade verarbeitet in ihren Roman viele Themen: die Familie, die eigenen Wurzeln und das Erwachsenwerden mit allem, was dazu gehört. Sie entführt ihre Leser auch in den Westen Kanadas, erzählt von Maggies Dad, der sich manchmal von der Welt entfernt und für Maggie nicht da ist. Genauso bewegt mich die Autorin durch eine Geschichte, die nach Abschied und einer unendlichen Suche schmeckt. In alldem begleite ich Maggie mehrere Jahre, sehe sie heranwachsen, erfreue mich an ihrer Katze Cinnamon, deren Liebe sie mir zärtlich beschreibt, und lausche ihren Gedanken, die sie nicht ablegt. Die Sorgen hingegen schon, damit es nicht noch schlimmer wird. Maggie ist ein Hoffnungsschimmer, so wie sie sich der Vergangenheit stellt und nach Antworten sucht. Der Roman ist weich wie der Regen und stürmisch wie der Wind. Er atmet viel Sanftmütigkeit aus und erschaudert durch bewegende Ereignisse. „Der Duft des Regens“ ist ein Buch, wie ich es mir wünsche, weil es angefangen vom wunderschönen Cover bis zur Geschichte alles hat, was mich glücklich macht und meinen Bauch schnurren lässt. Miau!
Frances Greenslade.
Der Duft des Regens.
Aus dem kanadischen Englisch von Claudia Feldmann.
Juli 2012, 368 Seiten, 19,90 €.
Mareverlag.