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Mögen wir die Morgenröte noch sehen.

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© X Verleih Stefan Zweig (Josef Hader): Vor der Morgenröte

Kriegsgeschrei, Kriegstreiben und Kriegführen, nur unterbrochen von kurzen, trügerischen Momenten des Atmens im abziehenden Rauch. Zwischendrin steht Stefan Zweig und weiß nicht, wie ihm geschieht. Der Kopf leicht geneigt, der Blick melancholisch. Der bescheidene, besonnene Mann wird überrollt von den Ereignissen einer Welt, deren gewalttätiges Treiben er nicht mehr versteht. Nicht, nachdem er die Welt selbst erklärt, ihre Sternstunden moderiert hat. Die leuchtenden wie die finsteren. Aus der Lust an der Unsterblichkeit wurde die Welt entdeckt, neue Horizonte taten sich auf für die Menschheit. Kleine, eigentliche unbedeutende Zwischenfälle entscheiden über den Untergang eines Reiches, der Wankelmut eines Untergebenen wird zum sprichwörtlichen Waterloo eines Herrschers. Eine einzige Nacht macht aus einem mittelmäßigen Dichter den Schöpfer eines weltbekannten Liedes. Große Künstler werden im Angesicht von Krankheit und Tod zu Sterblichen, ihre Kunst jedoch bleibt unsterblich. Welthistorische Stunden werden wieder lebendig. Der große Denker und Dialektiker Cicero will der Brutalität der Politik entfliehen, nur, es gelingt ihm nicht. Der geistige Mensch wird Opfer seiner eigenen Bestrebungen, das Volk zu befreien. Er vergisst die Mächtigen, denen nur ihre Macht wichtig ist. Man trennt ihm den Kopf ab und stellt diesen grausam zur Schau. Ciceros Gedanken überleben das unwürdige Schauspiel um tausende von Jahren, und die Werke von Stefan Zweig strahlen heute ebenso wie vor achtzig Jahren.
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Mädchen ohne Heimat.

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Manche Autoren sind wie Lieblingsspeisen, von denen man nie genug bekommen kann. So war ich kolossal begeistert, als mich eine Neuauflage von Irmgard Keuns Roman »Kind aller Länder« anstrahlte. Ich spüre eine innige Verbundenheit mit der Autorin – ihre Sprache, der ganze Sound und der Zauber ihrer Geschichten begeistern mich immer wieder. Da wollte ich natürlich sofort in das erstmalig 1938 erschienene Werk eintauchen.

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Das Leuchten der Bilder. Und der Worte.

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Zart wie Schneeflocken schweben David Foenkinos Worte in meine Augen. Aber erst einmal muss ich mich an seine ganz eigene Art zu erzählen gewöhnen. Es ist ein wenig so, als würde ich aus dem Licht kommen und einen dunklen Raum betreten. Den ich trotz allem nicht mehr verlassen möchte. Zu anziehend sind seine schlichten Sätze, die nicht hintereinander sondern untereinander stehen, dabei eine enorme Kraft versprühen und an ein sehr langes Gedicht erinnern. So lese ich ganz langsam Satz für Satz auf und tauche in eine zutiefst bewegende Geschichte.

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Vertrieben, verloren, aber nicht vergessen.

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Mein Wissen über Indonesien glich bis vor kurzem dem eines Reiskorns. Nun ist es so groß wie eine gut gefüllte Reisschale. Das habe ich – wie könnte es anders ein – einem Buch zu verdanken. Die indonesische Autorin Leila S. Chudori erweist sich mit ihrem Roman »Pulang (Heimkehr nach Jakarta)« als beeindruckende Erzählerin und Chronistin des Zeitgeschehens ihres Landes. Sie entwirft ein weites Panaroma von 1965 bis 1998, in dem das Schicksal vieler Menschen genauso eine bedeutende Rolle einnimmt wie die bewegende Geschichte ihres Heimatlandes. Doch nicht nur das Reiskorn spornte mich an – ich wollte auch mehr über das diesjährige Gastland der Frankfurter Buchmesse erfahren.

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