Papiergeruch kriecht in meine Nase. Erst denke ich, dass sei nur eine Eingebung und ich schnuppere nochmal wie eine Hündin. Nein, es stimmt, Papier ich rieche Papier, glückliches Papier. Um mich herum reihen sich Rücken an Rücken Bücher so viele, dass mir fast schwindelig wird. So etwas, ja so etwas, habe ich noch nie gesehen. Dass es das noch gibt. Ich staune wie ein kleines Mädchen, das zum ersten Mal vor einem geschmückten Weihnachtsbaum steht. Während die großen Kettenbuchhandlungen mehr auf Frontalpräsentation setzen, fährt die autorenbuchhandlung berlin in eine andere Richtung. Immer schon, immer noch. Immer weiter. Ich lächle und streife an den Regalen vorbei. Dort finde ich Autoren, von denen ich noch nie gehört habe. Kurz erröte ich bei der Tatsache, dass ich wahrlich nur einen Bruchteil der Bücher kenne.

„Wir haben viele Stammkunden“, berichtet die Filialleiterin Nicola Gaedicke. Manche halten sich gern auch mal ganze Vormittage und Nachmittage in der autorenbuchhandlung berlin auf. Das ist nur allzu verständlich, wenn ich mir die Vielzahl der Werke anschaue, die dort stehen und auf den Tischen liegen. Das Publikum interessiert sich vor allem für anspruchsvolle Literatur. Die findet man hier auch zu genüge. Von vielen Autoren stehen etliche Ausgaben im Regal wie beispielsweise Werke von Ingeborg Bachmann, Günter Grass, Thomas Bernhard und John von Düffel. Bei Ingeborg Bachmann finde ich elf Titel, bei Thomas Bernhard 13 Bücher und bei John von Düffel sechs Exemplare. Werden die denn regelmäßig gekauft? Nein, aber sie verkaufen sich irgendwann, bestätigt mir Nicola Gaedicke. Gerade die oben genannten Autoren haben sie stets vorrätig. Dann fügt sich noch hinzu:„Jedes Buch hat seinen Käufer. Früher oder später.“ Sicherlich würden sie auch Titel, die sich gar nicht verkaufen an den Verlag zurückschicken, denn es erscheinen ja beinah täglich neue Bücher. Die finde ich auch neben den Klassikern.

„Schauen Sie hier“, sagt die Buchhändlerin nur wenige Minuten später. Sie hält mir „Das bulgarische Gefühl“ von Ralf Themior vor die Augen. Das Exemplar hat zwölf Jahre in der Buchhandlung gelegen, natürlich längst vergriffen. Jetzt wünscht sich ein Kunde dieses Werk.
Als nächstes begrüßt sie einen Kunden, der vorm ersten Tisch neben dem Eingang stehenbleibt. Er nimmt ein dünnes Buch in die Hand, das fast wie ein Heft aussieht. Was ist denn das? „Marilyn Monroe liest Ulysses“ von Walter Kappacher. Erschienen ist es im Ulrich Keicher Verlag. Ich stutze. Nie gehört. „Das ist einer der Verlage von denen man wissen muss, dass es sie gibt“, sagt Nicola Gaedicke. Der Verlag ist nicht im Verzeichnis lieferbarer Bücher und bei einer Eigenrecherche im Internet finde ich es selbst bei amazon.de nicht. Die Ausgabe ist eine besondere Rarität. Schmal ist sie. Leicht wie eine Feder liegt das Büchlein in der Hand. Ich blättere ehrwürdig darin, erfreue mich an den Fotografien und nachdenklichen Texten.
Die Kunden wissen den aufmerksamen Blick sehr zu schätzen, denn gerade dieser Titel ist einer von denen, die oft gekauft werden. Nun bin ich also einem Bestseller der autorenbuchhandlung berlin persönlich begegnet.

Eine Frage brennt mir natürlich besonders unter den Nägeln: Kommen Autoren in die Buchhandlung? „Ja“, antwortet Nicola Gaedicke. Sie nennt mir einige: Ingo Schulze, Peter Sloterdijk, Lars Gustafsson und Ursula Krechel. Danach fügt sie hinzu, dass die autorenbuchhandlung berlin heute eine eigentümergeführte Buchhandlung ist, während damals die Autoren u.a. Teilhaber waren. Die Buchhandlung hat eine Tradition, die schon viele Jahre überdauert. Gegründet wurde sie 1976 von Künstlern, Verlegern und renommierten Autoren und Autorinnen. Günter Grass, Heinrich Böll, Ingeborg Drewitz, Klaus Wagenbach beteiligten sich an der Buchhandlung, um nur einige Namen zu nennen. Übernommen wurde sie 2008 von Fürst & Iven. Die Inhaber führen seit Anfang der 90er Jahre in der Akademie der Künste im Hansaviertel die Buchhandlung und nun auch seit 2005 in der neu errichteten Akademie der Künste am Pariser Platz. Seit zwei Jahren gehört auch die autorenbuchhandlung berlin zu ihnen.

Die Form hat sich gewandelt. Verändert hat sich inhaltlich jedoch nicht viel. Auf den 90 Quadratmetern bietet die autorenbuchhandlung berlin eine Auswahl von über 28000 Titeln aus Belletristik und Lyrik, den Geisteswissenschaften und der Kultur sowie ausgewählte Biographien und Kinderbücher.
Man findet sich sofort zurecht, weil über den Regalen jeweils auf den weißen Wänden mit schwarzer Schrift die einzelnen Bereiche stehen. Heller ist die Buchhandlung geworden. Das ist den Inhabern durch andere Möbel gelungen. Außerdem haben sie die Dielen abschleifen lassen. Es finden sich hier und da kleine feine Veränderungen, die den Geist des Ladens keineswegs zerstört haben. Ganz im Gegenteil, hier schwebt etwas Besonderes, wenn man an den Regalen vorbeigeht. Hier klopft das Herz jeden Buchliebhabers höher, man lächelt und möchte bleiben.

Die autorenbuchhandlung gehört übrigens zu den 5 Plus über die ich demnächst ausführlicher berichten werde.
autorenbuchhandlung berlin
Carmerstraße 10
10623 Berlin-Charlottenburg
Telefon: 030 – 313 01 51
Internet: autorenbuchhandlung berlin
Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag 10 bis 20 Uhr
Samstag 10 bis 18 Uhr
Die autorenbuchhandlung berlin lädt an einigen Sonntagen zum Sonntags-Matineé ein.
Das nächste ist am 26. September 2010.
Mehr Infos dazu gibt es hier.