Archiv der Kategorie: Jeden Tag ein Buch

Tag 10: Ein Buch von deinem Lieblingsautoren.

Mister Aufziehvogel von Haruki Murakami.
Dieses Buch fasziniert mich. Sobald ich es lese, bekomme ich entweder große Lust Spaghetti zu kochen oder zu bügeln. Murakami verleiht dem Alltäglichen etwas Zauberhaftes, so dass aus dem Kochen ein besonderes Event wird. Es passiert in dem Roman nicht wirklich viel und doch platzt man innerlich vor Spannung. Wie das geht? Keine Ahnung. Das ist eine Seite von vielen, die den japanischen Autor auszeichnet und ihm eine große Fangemeinde beschert. Murakami liest man nicht, Murakami lebt man, wenn man einmal Feuer gefangen hat.

In Mister Aufziehvogel erzählt er die Geschichte von Toru Okada, der seinen Job gekündigt hat. Er ist unzufrieden und möchte etwas anderes. Was genau, weiß er noch nicht. Als eines Tages seine Katze verschwindet und ihn ein Anruf einer fremden Frau ereilt, beginnt sich sein bisheriges aufzulösen. Stück für Stück bricht es auseinander. Ganz leise wie auf Zehenspitzen stiehlt es sich davon.

Vor allem verliebt habe ich mich in die Sprache. Sie streichelte mich sehr sanft wie eine leichte Feder. Hier und da huschte ein zarter Lufthauch über mein Gesicht. Natürlich gab es auch vorsichtige Tritte gegen das Schienenbein. Weil ich manchmal nicht begriffen habe, was das nun sollte, wie in Gottes Namen und überhaupt. Konfus. Doch raus kam ich nicht, dafür saß ich schon zu lange auf dem Boden des Brunnens, roch das Nasse und erspähte ganz oben etwas Helles. Wem das hier alles nun zu suspekt ist, sollte lieber die Finger von Mister Aufziehvogel lassen, denn schräg ist er. Schräg, aber unglaublich gut!

Tag 9: Das erste Buch, das du je gelesen hast.


Vom Jochen, der nicht aufräumen wollte von Edith Bergner.
Heute noch lache ich, wenn ich das Kinderbuch in der Hand halte. Ich werde rot und fühle mich ertappt. Das Buch war damals ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl. Im Grunde war ich auch ein Jochen, viel mehr eine Jochine. Also ein Mädchen, das nie das Spielzeug wegräumen wollte. Bis zu dem Tag, als ich Jochens Geschichte las und mich wiederfand. Erschrocken war ich über das traurige Spielzeug – den Bären Brummelmähr etwa, der sein Bein verlor oder Kasperl Klabasterl, der weinte. Und als sich dann eines Nachts alle Spielsachen auf den Weg zu den Nachbarskinders machen wollten, weil sie sich schlecht behandelt fühlten, wurde auch ich hellwach.

Tag 8: Ein Buch, das dich an einen Ort erinnert.

Es ist so warm, dass ich mich unter einem schattigen Baum verkrieche. Frischer Rasengeruch kriecht in meine Nase. Mein rechter Fuß kribbelt. Dort läuft nämlich gerade eine Ameise drüber. Freches Biest! Ich bin endlich angekommen in meiner Stadt. Berlin. Glücklich, leicht glucksend als hätte ich schon eine Flasche Sekt allein ausgetrunken, liege ich im Mauerpark auf der Decke und lese Murakamis Gefährliche Geliebte. Was heißt hier lesen: Ich bade regelrecht in seinen Sätzen, seinen bildhaften Schilderungen und fühle mich mit ihm weniger allein in dieser großen Stadt. Obwohl – allein ist das falsche Wort. Ich habe es mir ja selbst ausgesucht, eine von vielen Tausenden zu sein. Also sagen wir es anders: Murakami zu lesen, fühlt sich an, als hätte ich einen bekannten, mir wohl vertrauten guten Freund wieder getroffen. Ja, das liest sich schon besser. Eine Stelle aus dem Buch habe ich mir bis heute gemerkt. Es ist meine liebste und selbst wenn man mich im Schlaf fragen würde, wüsste ich sofort, wo sie sich befindet. Auf Seite 20, zweiter Absatz:

Das Gefühl, ihre Hand zu halten, hat mich nie wieder verlassen. Es war anders als bei jeder anderen Hand, die ich je gehalten hatte, anders als bei jeder Berührung. Es war lediglich die kleine, warme Hand eines zwölfjährigen Mädchens, aber diese fünf Finger, diese Handfläche waren wie eine Vitrine, die absolut alles enthielt, was ich wissen wollte – und was ich wissen mußte. Indem sie meine Hand nahm, zeigte sie mir, was dieses „alles“ war. Zeigte mir, daß es hier in der realen Welt, einen solchen Ort gab.

Und mich hat Haruki Murakami nie wieder verlassen. Seine Hand liegt auf meiner Schulter. Allein sein Name erzeugt in mir ein Lächeln, das ich das klassische Murakami-Lächeln getauft habe. Der Mann ist für mich mehr als nur ein Autor – er ist ein Seelenbruder. So, nun ist es raus. Ich bin leicht errötet, schwimme aber noch immer im Murakami-Bad und sehe wahrscheinlich aus wie ein Goldfisch, der die Sonne auf seinen Kiemen trägt.

Tag 7: Ein Buch, das dich an jemanden erinnert.

Das Buch erinnert mich an eine Freundin. Es hat sie ebenso mitgerissen wie mich. Ich weiß nicht wie oft, aber sehr oft, haben wir über Paula Trousseau gesprochen als wäre sie eine gute Freundin. Von ihr ging eine unglaubliche Faszination aus. Gleichzeitig verband uns auch ein gemeinsames Fühlen mit ihr. Sie war uns so nah, dass wir sie nicht mehr missen wollten. Die Freundschaft hat sich in den Jahren leider verloren, das Buch hingegen mit der anderen Freundin ist mir geblieben. Es steht immer noch im Bücherregal und ich freue mich darüber. Schon jetzt bin ich mir sicher, es ist ein Buch, das viele Jahre überdauern wird.

Christoph Hein zeichnet in seinem Roman Frau Paula Trousseau das Bild einer Künstlerin in der ehemaligen DDR. Eine leidenschaftliche Frau, die den gesellschaftlichen Grenzen trotzt und ausbricht. Sie lebt ihren Traum, eine Malerin zu sein. Paula Trousseau trägt jedoch das Gewicht der Vergangenheit auf der Schulter – eine Schwere, die ihr oft die Leichtigkeit raubt. Für mich bleibt sie eine starke Frau, mit der ich gern mal einen Kaffee zusammen getrunken hätte. Dem Autor ist es unglaublich gut gelungen, eine Persönlichkeit zu schaffen, die selbst die Grenzen der Fiktion durchbrochen hat. Dafür werde ich ihm ewig dankbar sein.

Tag 6: Ein Buch, das du nur einmal lesen kannst (egal, ob du es hasst oder nicht).

Krimis lese ich nur einmal. Sie leben von der Spannung. Sobald ich sie durchbrochen habe, bleibt ein überhebliches Lachen oder ein verschreckter Atemzug, der mich fast erstickt. Zum Schluss lüftet sich stets das Geheimnis, manchmal auch schon vorher. Mörder und Verbrecher vergesse ich nicht, dafür ist mein Sinn zu scharf, so scharf wie die Klinge eines Messers.

Tag 5: Ein Buch, das du immer wieder lesen könntest.

Die paar leuchtenden Jahre von Mascha Kaléko. Das Buch enthält wahre Schätze, die ich immer wieder finden möchte. Ihre Gedichte machen gute Laune, sie stimmen mich manchmal auch etwas nachdenklich. Dies tun sie auf eine ganz besondere Art und Weise: Das Herz wird an einigen Stellen schwer, um an anderer wieder mit einem Zitronenbiss geweckt zu werden. Die Texte versteht jeder. Die Großen wie die Kleinen. Sie sind nicht hochtrabend, sondern ganz nah bei uns. Außerdem schreibt Mascha Kaléko über alles, was wir selbst sehen, erleben oder fühlen: die Großstadt, die Liebe, Tiere, Ängste, Sehnsüchte, Träume, das Anderssein und und und. Eine bunte Palette, in die man seinen Pinsel taucht und mit den eigenen Gedanken lachend wunderbare Bilder malt.

Hier eine kleine Kostprobe – entdeckt auf Seite 124 im obigen Buch:

Tränen

Locker
So locker hinterm Auge
Sitzen mir die Tränen
Wie Regentropfen vor dem Gewitter
Es braucht nichts als einen
Kleinen Blitz
Und du weinst

Tag 4: Dein Hassbuch.

Unter Paaren von Thomas Lang.
Im Mittelpunkt stehen zwei Paare. Zusammen verbringen sie ein Wochenende. Man könnte meinen, hier dreht sich ein stetiges Riesenrad an großen Gefühlen. So ist es auch. In einer besonderen Atmosphäre, die mich kein bisschen packte. Viel mehr spürte ich eine Kälte zwischen den Augen, die aus den Wimpern kleine Eiszapfen machte. Nie kam ich ganz hinein, bin immer wieder abgerutscht und habe es zum Schluss in die Ecke geworfen. Ja, ich habe es tatsächlich zu Ende gelesen, in der Hoffnung, dass vielleicht doch noch etwas Großes passiert. Aber es traf nicht ein.

Tag 3: Dein Lieblingsbuch.

Amrita von Banana Yoshimoto.
Heute möchte ich euch eines meiner Lieblingsbücher vorstellen. Sobald ich an Amrita denke, lächele ich, atme ruhiger und spüre eine warme Hand auf meiner Schulter. Eigentlich ist es nicht nur ein Buch, sondern mehr wie eine gute Freundin. Viel fühlen, das Gleiche denken und nichts sagen müssen. Lächeln, seufzen, lächeln, irgendwann ankommen bei sich selbst und kleine Flügel auf dem Rücken spüren. Dieser Roman ist wahrlich eine Hommage an das Leben! Mit allem was dazu gehört – dem Lachen und dem Weinen. Es fängt erschöpfte Köpfe auf und erhellt traurige Herzen. Eben eine gute Freundin, die man nicht missen möchte.

Tag 2: Das Buch, das du als nächstes lesen wirst.

Lilienblut von Elisabeth Herrmann.
Bisher kannte ich Elisabeth Herrmann als großartige Krimiautorin und beeindruckende Vorleserin. Sie hat mich vor einem Jahr wieder zum Krimilesen verführt und gezeigt, dass Krimis durchaus ein zwinkendes Auge haben können. Ihre Werke zeichnen sich gleichzeitig durch beste Recherche und aktuelle Themen aus. Mit ihrem Krimi Das Kindermädchen landete sie damals auf Platz 1 der KrimiWelt- Bestenliste. Natürlich möchte ich niemanden ihr außergewöhnliches Jugendbuch vorenthalten.
Was einen erwartet – eine raffinierte und zugleich spannende Geschichte: Amelie wird eines Tages tot aufgefunden und alle vermuten einen Schiffer als Täter, den sie und ihre Freundin Sabrina kurze Zeit vorher kennengelernt haben. Doch das wäre zu einfach: Eine atemberaubende Suche nach dem wahren Mörder beginnt.
Ich werde ausführlich darüber berichten und nicht nur das: Die Autorin hat sich bereit erklärt, Fragen von der Klappentexterin in einem Interview zu beantworten. Bleiben wir also gespannt!

Tag 1: Das Buch, das du zur Zeit liest

 

Becks letzter Sommer von Benedict Wells.
Asche auf mein Haupt: Ich habe bisher nur den Spinner von Benedict Wells gelesen. Es hat mir sehr gut gefallen. Sein Debut Becks letzter Sommer jedoch steht noch ungelesen im Regal. Es kam irgendwie immer eine neue Lektüre dazwischen. Und manchmal ist es schön zu wissen, dass man von einem Autor, den man gern liest, ein Werk auf Vorrat hat. Für alle Fälle. Ich mag dieses Gefühl und steige da ungern aus. Jetzt einige kurze Fakten: Becks letzter Sommer hat 2008 zu einem regelrechten Aufschrei geführt. Hochgelobt und immer wieder empfohlen, weil das Buch so fulminant und der Autor noch so jung, damals 23 Jahre. Nun habe ich den Autor live auf einer Lesung erlebt, er konnte mich überzeugen, meine Nase ins Buch hineinzustecken und alle Vorratsbuchgefühle über Bord zu werfen. Die Geschichte dreht sich um Robert Beck, Lehrer, und seinen Schüler, Rauli Kantis. Hauptsächlich. Nebensächlich tauchen noch viele andere Dinge auf. Bald mehr.