Jeder Tag ein Geschenk.

Bild von Tomasz Kowaluk auf Pixabay

Je älter ich werde, desto mehr werde ich mit dem Tod konfrontiert. Klar, es wäre illusorisch zu denken, er würde mich und mein Umfeld verschonen. Und so verlor ich kurz hintereinander erst einen geschätzten Buchhändlerkollegen, der mir mehr Freund als Kollege war, und dann eine liebe, vertraute Freundin. Natürlich ist der Mensch nie auf solche niederschmetternden Nachrichten vorbereitet, so sehr sie sich vielleicht auch durch Krankheit oder andere Dinge ankündigen mögen.

Wie ein Knall brachten mich diese Todesnachrichten zum Schweigen und machten mich unendlich traurig. Was wollte ich den Gefährten noch alles sagen! Und konnte es dann doch nicht mehr. In solchen Momenten ist es unendlich tröstlich, wenn andere für einen die richtigen Worte finden. Ich habe sie in einem Buch entdeckt.

»Trauer ist kein Publikumsknaller. Trauer klingt nach Schmerz und Leid, und ist anstrengend und fürchterlich.“ Susann Brückner hat so verdammt Recht. Trauer macht sprachlos, weil sich jedes Wort falsch anfühlt. Man möchte so viel geben und schweigt dann doch. Warum ist das so? Warum winden wir uns so vor dem Tod und der Trauer, warum lähmt uns der Tod so? Ist es die Ohnmacht? Dabei gehört der Tod doch genauso zum Leben wie eine Geburt. Warum nur haben wir trotzdem solche Berührungsängste?

 

Caroline Kraft und Susann Brückner liefern uns keine einfachen oder schnellen Antworten, wie man sie vielleicht in einem Lexikon erwartet. Aber sie zeigen uns Möglichkeiten auf und führen uns behutsam aus der Sprachlosigkeit. »Es ist verrückt, aber die meisten Leute haben davon keine Ahnung, nicht mit 19, nicht mit 37 und oft nicht mal mit über 50.« Auch nicht mit 41, sage ich dazu.

Die beiden Frauen betreiben seit 2017 den Podcast „endlich. Wir reden über den Tod.“ Dort und in ihrem Buch holen sie Tod und Trauer aus ihrem Schattendasein und führen sie ins Licht des Lebens. Sie berichten von eigenen, sehr persönlichen Erfahrungen, die unglaublich berührend sind. Dabei beziehen die Autorinnen neue Erkenntnisse aus der modernen Trauerforschung mit ein und lassen uns teilhaben an interessanten Interviews. So wie das Gespräch mit Gabriele von Arnim. Einigen von euch ist ihr Buch »Das Leben ist ein vorübergehender Zustand« sicher noch in guter Erinnerung. Darin hat sie über die Zeit mit ihrem kranken Mann geschrieben, den sie verlassen wollte und dann doch über zehn Jahre lang gepflegt hat, bis er gestorben ist. 

»endlich. über trauer reden.« ist wie ein Aufatmen und eine Umarmung in finsteren, kalten Zeiten, in denen einem oft die richtigen Worte fehlen. Ein ganz besonderes Sachbuch zum Thema Trauer und Tod, das mir Halt gegeben hat. Mehr noch: Es hat mir einmal mehr gezeigt, wie wertvoll doch jeder Tag ist, den wir am Leben sind.

***

Caroline Kraft und Susann Brückner: endlich. über trauer reden. Goldmann, März 2022, 237 Seiten, 17,-€. Das Buch ist portofrei bei Scheller Boyens Buchhandlungen bestellbar oder einfach ein Exemplar reservieren. Das Buch liegt in beiden Häusern vor.

2 Gedanken zu „Jeder Tag ein Geschenk.

  1. Alexander Carmele

    Ich fand von Irvin D. Yalom und Marilyn Yalom: „Unzertrennlich“ zu diesem Thema sehr bewegend und nachhaltig hilfreich. Ich werde auch in dieses Buch „endlich. über trauer reden“ hineinschauen. Gruß.

    Gefällt 1 Person

    Antwort

Hinterlasse einen Kommentar