
Man könnte fast meinen, die Sonne am heutigen Totensonntag ist ein Geschenk des Himmels. Sie strahlt Trost und Zuversicht aus. Vor allem nach diesem herausfordernden Jahr fühlt sich eine Novembersonne, die leicht mystisch durch nebliges Licht scheint, wie ein kleines Glück an. In solchen Momenten halten wir inne und staunen. Innehalten, still sein, nicht laut rufen, schon gar nicht schreien oder Recht behalten wollen. Innehalten.
Wie im vergangenen Jahr möchten wir heute den Toten gedenken, auch denjenigen, die durch das alles beherrschende Virus von uns gegangen sind. Der Gedanke daran lässt uns stiller werden. Schließlich führt uns der Tod unsere eigene Endlichkeit vor Augen. Manchmal raubt er uns sogar die Sprache. Wir möchten zu einem trauenden Menschen die richtigen Worte sagen, schnappen aber nur nach Luft oder kreisen mit dem Füller über eine leere Kondolenzkarte. Wie tröstend ist es dann, wenn wir ein Buch in den Händen halten, das genau das sagt, was wir fühlen. »Sterben im Sommer« von Zsuzsa Bánk ist genau so ein Buch.

Zsuzsa Bánk gehört zu meinen Lieblingsautorinnen, dementsprechend groß war die Freude über ihr neues Buch. Doch »Sterben im Sommer« ist anders als ihre bisherigen Werke. Kein Wunder, ist es doch ein sehr persönliches Buch, denn es erzählt vom Sterben ihres Vaters. Einerseits ist die Geschichte tieftraurig, andererseits enthält sie eine leuchtende Seite. Die Autorin gräbt sich nicht ein in ihre Trauer, sie geht offen damit um. Sicher, mal zweifelt sie und weint. Aber immer ist sie sehr, sehr tapfer und nimmt uns mit, versteckt nichts. Das ist bewundernswert.
Die Krebserkankung ihres Vaters wird akut, als sie zum letzten Mal mit ihm in die alte Heimat nach Ungarn fährt. Ein plötzlich einsetzendes Fieber macht leider alle Pläne zunichte, und sie müssen ihn in Österreich ins Krankenhaus einliefern. Weil ihre Cousine ihr dazu rät, da die medizinische Versorgung dort besser ist als in Ungarn. Dies ist der Beginn eines Abschieds, der sich über einen langen Sommer erstreckt. Ich folge Zsuzsa Bánk auf diesem Weg, habe nicht selten selbst Tränen in den Augen und verspüre den Wunsch, ihr zu helfen.
Dabei umkreist Zsuzsa Bánk Fragen wie: Wohin mit dem Schmerz, wenn ein Elternteil schwer erkrankt? Wenn der Tod sichtbar wird und schließlich eintrifft? Wie mit all den Gefühlen umgehen, die immer wieder vom Alltag verdrängt werden und gleichwohl auf einen einströmen? Man muss in so einer Zeit gleichzeitig viele – auch unangenehme – Dinge erledigen: Formulare ausfüllen, Verträge, Versicherungen kündigen. Das Leben muss weitergehen, geht auch weiter. Und trotzdem hinkt man gefühlt hinterher.
Das Schreiben ist Bánks Lebenselixier, in diesem Fall fängt es sie auf, in dem sie sich ihrem Notizbuch anvertraut. So lesen sich die viele Gedanken sehr unmittelbar, offen und ehrlich: „Ich wünschte, ich könnte mit dem Sterben, dem Abbruch des Lebens leichter umgehen. Andere können es doch, oder? Und ständig geschieht es, überall auf der Welt. In jeder Ecke jeder Stadt, jedes Dorfs, jeder Straße, hinter jedem Zaun, jeder Tür, jedem Fenster. Jedem geschieht es, jeder stirbt, und jeder verliert eines Tages seine Eltern. Es ist nichts Besonderes, uns allen widerfährt es. Wir werden geboren und sterben, verlieren jemanden ans Sterben, und eines Tages verliert uns jemand ans Sterben. Warum mache ich es zu etwas Herausragendem? Als würde es nur mir widerfahren?“
Im Rahmen dieser persönlichen Geschichte ist Bánks Sprache weniger verspielt, aber deshalb nicht minder lesenswert und genauso herzenswarm wie wir sie kennen und schätzen. »Sterben im Sommer« ist so vieles in einem: Ein Familienbuch, ein liebevolles Andenken an einen verstorbenen Vater und eine tröstende, wärmende Hand, wie die von einer guten Freundin, die mit einem alle Gefühlslagen durchleidet. Ein Buch zum Innehalten, perfekt für Tage, an denen am Himmel noch der Sommer durchscheint, aber hier unten schon der Winter seine ersten kalten Vorboten sendet. Aber so ist das; Der Tod gehört zum Leben dazu, Weglaufen gilt nicht.
Zsuusa Bánk: Sterben im Sommer. S. Fischer, September 2020, 237 Seiten, 22,- €.
Ihr lieben Klappentexter, was für einer schöner Beitrag! Das Buch hat mir meine liebe, mutige Freundin zum Geburtstag geschenkt, nachdem zwei Wochen zuvor mein Vater gestorben war. Ich brauche noch etwas Zeit, zumal ich noch mit genau den genannten unangenehmen Seiten zu tun habe, wie Formulare, Anträge usw. Aber ich werde es lesen, das weiß ich. Ein Anliegen brennt mir auf den Nägeln, und ich hoffe, Ihr seid mir nicht böse. Ich bin Germanistin und freie Lektorin, deswegen fällt es mir auf: Kann es sein, dass der Text nicht in der finalen Version eingestellt worden ist? Er enthält noch einige Fehler. Mit vielen Grüßen
Petra Brinkert-Lederer Petra Brinki (facebook) http://www.lektorat-brinkert-lederer.de
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Ganz lieben Dank für den Kommentar, der uns sehr berührt hat. Wir wünschen alles Gute für diese schwere Zeit. Eine Stütze hast Du mit dem Buch auf jeden Fall an Deiner Seite.
Uns ist ein fehlerfreier Text sehr wichtig. Daher gehen wir auch öfter darüber. Aber manchmal ist es mit den eigenen Schreibfehlern so, dass man sie leicht übersieht. Das passiert ja selbst den Zeitungsredaktionen. Und auch den Verlagen. Danke für den Hinweis!
Ich bin gerade nochmal über den Text gegangen und habe im oberen Bereich den Korrekturstift angesetzt. Habe ich noch etwas überlesen?
Liebe Grüße
Klappentexterin
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