Echte Männer, Sattelschmerzen und eine verspätete Reise – junge Literatur aus Flandern und den Niederlanden.

mag_coverMein geschätzter tolino bekommt Konkurrenz. Von einem Produkt, das es vom Gewicht her durchaus mit ihm aufnehmen kann. Obendrein ist der bibliophile Lesefreund für unterwegs ein haptisch schönes Erlebnis. Der mairisch Verlag hat uns von seinem Ausflug nach Amsterdam DAS MAG, The Best Of mitgebracht. Das Magazin ist die jüngste Stimme in der niederländischen Gegenwartsliteratur, erscheint seit 2011 vierteljährlich und jetzt erstmals auf Deutsch.

Bereits das Cover zieht magisch an: Der goldene Schriftzug verrät, dass es sich hier um etwas Besonderes handelt. Als ich das Magazin öffne, leuchtet die Freude wie die Sonne an einem himmelblauen Sommertag. Raffinierte Graphiken und Illustrationen gehören zum festen Bestandteil des Heftes, sie bringen allerhand Farbe in den bisher eher grauen Herbst. Kreiert wurde das Design vom Studio Vruchtvlees.

mag_seite1_2DAS MAG unterteilt sich in drei Bereiche: Wiederkehr – Was uns begleitet, Solo – Was zum Thema passt – und Kulturraum – Was uns ausmacht. Die Themen zeigen eine mitreißende Vielfalt, die ich mit unbändiger Neugier erforsche. Und beginne zunächst mit einer Erzählung: »Das Camp« von Maartje Wortel. Eine befremdliche, aber ebenso anziehende Lektüre über eine Frau, die sich verloren hat und wiederfinden will. Die Autorin Bregje Hofstede schenkt mir einen schönen Schlusssatz, der unter ihrem Beitrag Blaue Flecken an den Knien steht: »Mit blauen Flecken an den Knien hat noch niemand einen inspirierenden Roman geschrieben.« Hier entwickelt sich eine Melancholie zwischen den Sätzen, doch sie erdrückt nicht, sie zwickt nur ein bisschen.

fullsizerender2Viele Texte sind von einer Tiefe und Nachdenklichkeit durchströmt, wie ich sie bereits von anderen niederländischen Autoren kenne. Mir gefällt diese ganz eigene Stimmung, die alles Oberflächliche von sich abstreift. Vielleicht ist es genau das, das mich anzieht und immer wieder in die tiefsinnigen Texten eintauchen lässt. Lize Spit – bereits in den Niederlanden eine junge erfolgreiche Autorin – berührt mich mit ihrer Geschichte »Sattelschmerzen« und hält mit ihrer ungewöhnlichen Sprache meine Sinne hellwach. Ich kann die Übersetzung ihres Romans »Es schmilzt« kaum erwarten. Als unglaublich stimmungsvoll und berührend empfinde ich Daan Heerma van Voss mit »Eine verspätete Reise«, wo der Autor mit Harry Mulischs Tochter nach Auschwitz fährt.

Nicht alle Texte tragen den dunklen Mantel der Melancholie. Joost de Vries ersetzt mir beispielsweise an einem müden Morgen mit »Echte Männer« meinen geliebten Espresso. Eine Leichtigkeit zieht sich durch den hellen Text, der mich in die Welt des Golfspielers Tiger Woods entführt.

Anregend empfinde ich eingangs die literarische Landkarte. So kann man sich zwischen Amsterdam, Niederlande und Flandern die entsprechende Lektüre heraussuchen. Zwischen den langen, tiefsinnigen Texten flitzen kürzere Beiträge durch das Magazin und machen mich mit Autoren und Autorinnen bekannte, die mir bis dahin nicht vertraut waren: Saskia de Coster, Maud Vanhauwaert und Tom Lanoye.

fullsizerender3Bei der ganzen Vielfalt verpasse ich fast meine U-Bahn-Station. Ist man erst einmal im MAG fest verankert, vergisst man beinah die Welt außerhalb. Das Heft ist eine betörende Inspirationsquelle. Auch für die Macher selbst. Aus dem Magazin haben sich Leseclub-Festivals, ein Sommercamp für literarische Nachwuchstalente und ein erfolgreicher Verlag entwickelt.

Das Fassungsvermögen eines Magazins ist im Vergleich zu einem elektronischen Lesegerät nicht allzu üppig. Da atmet mein tolino erleichtert auf. So hüpft mein elektronischer Begleiter künftig wieder in meine Tasche und bleibt dort, bis es eine neue Ausgabe des MAGs gibt. So hoffe ich und würde mich sehr darüber freuen.

DAS MAG, The Best Of. Junge Literatur aus Flandern und den Niederlanden. mairisch, August 2016, 100 Seiten, 14,- €. Jetzt portofrei bei Hugendubel.de bestellen.

Weitere Einblicke in »DAS MAG« findet ihr bei:

karenina-illustration

3 Gedanken zu „Echte Männer, Sattelschmerzen und eine verspätete Reise – junge Literatur aus Flandern und den Niederlanden.

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