Der unabhängige Verlag für wilde Leser – so bezeichnet sich der Wagenbach Verlag selbst. Pünktlich zur Ausstellungseröffnung schickte dann auch der Himmel seine wilden Grüße in Form von Donner, Blitz und Sturzbachregen.
„50 Jahre Verlag Klaus Wagenbach bedeuten 50 Jahre Archiv.“ Mit diesen Worten eröffnete Susanne Schüssler zusammen mit Klaus Wagenbach und Barbara Schneider-Kempf am 27. Mai die Ausstellung in der Staatsbibliothek zu Berlin. Bis zum 12. Juli macht der Verlag allen Freunden und Interessierten sein Archiv zugänglich und zeigt seine spannende Geschichte.
Solch ein Ereignis konnte sich die Klappentexterin natürlich nicht entgehen lassen und war stellvertretend für euch alle zur Eröffnung dabei und hat jede Menge Eindrücke mitgebracht. Zahlreich erschienen waren an dem stürmischen und verregneten Abend ebenso Freunde des Verlags.
„Nirgends kann man die Ausstellung besser präsentieren als hier im Kulturforum der Stabi“, meint Barbara Schneider-Kempf, Generaldirektorin der Staatsbibliothek zu Berlin. „Wir sind die Leuchttürme in Berlin“, sagt Schneider-Kempf. Eine bessere Symbiose kann es nicht geben.
Schon vor dem Eingang weht die Wagenbach-Fahne und heißt alle Bücherfreunde willkommen. Neugierig schlendere ich durch die Ausstellung und habe gleich zu Beginn ein Aha-Erlebnis, als ich in der ersten Vitrine die Exponate finde, von denen im Jubiläumsband – Buchstäblich Wagenbach – 50 Jahre: Der unabhängige Verlag für wilde Leser – die Rede ist. Dort liegt zum Beispiel die Schallplatte von Wolf Biermann, die erste Ausgabe vom Tintenfisch, die ersten Quarthefte nebst einer Gewinn- und Verlustrechnung mit dem Kommentar: „Schöner Anfang: 50.000 DM für Honorare“.
In den Glasvitrinen liegen beeindruckende Exponate, wie Briefe, Manuskripte mit handgeschriebenen Korrekturen und natürlich jede Menge Bücher – eben all das, was sich in dem hauseigenen Archiv in den letzten fünf Jahrzehnten angesammelt hat. „Bücher wollen aber auch angefasst werden“, berichtet Susanne Schüssler. Deshalb hängen vereinzelt Bücher von der Decke und können von den Besuchern in die Hand genommen werden. An Zeittafeln werden die einzelnen Abschnitte näher erläutert, und die Besucher können nachlesen, was sich in all den Jahren ereignet hat und wo der Verlag seinen Schwerpunkt gesetzt hat. Am Boden und an der Decke entlocken schöne Zitate den Besuchern ein Schmunzeln wie dieses: „Eins hilft immer: Lesen.“
„Wagenbach ist ein Backlist-Verlag“, erklärt die Verlegerin, „wir kümmern uns auch um alte Bücher.“ Susanne Schüssler gibt den Gästen an diesem Abend einen Einblick in die Arbeit des Verlags, dem nicht nur der Inhalt, sondern genauso die Gestaltung der Bücher sehr wichtig ist. Sie erzählt, wie die Bücher in den Verlag kommen und spricht ironisch von einer Diktatur des Lektorrats. Denn dort wird entschieden, welches Buch letztlich publiziert wird. Deshalb sei der Verlag auf fünf Sprachen beschränkt: Deutsch, Englisch, Italienisch, Spanisch und Französisch. Einmal die Woche treffen sich alle zur Lektorratssitzung. Da heißt es dann: Die anderen für ein Manuskript zu begeistern. Dabei wird natürlich gern diskutiert und manchmal kommt sogar die Herzklausel zum Einsatz. Die geht so: Wenn sich die Mehrheit nicht einigen kann, muss derjenige, der von dem Werk überzeugt ist, still sein und kurz tief durchatmen. Das bedeutet, sein Herz hängt an diesem Buch und er will es unbedingt machen. Dann fügt die Verlegerin noch hinzu, dass die Bücher mit der Herzklausel am Ende oftmals die interessantesten sind.
Es ist ein wahrhaft erhabener Moment, durch die Ausstellung zu schlendern und sich die bibliophilen Zeugen der Zeit anzuschauen. Plötzlich sehe ich Klaus Wagenbach neben mir, der einem jungen Mann den Inhalt einer Vitrine erklärt. Beide werden kurz unterbrochen, als ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der Staatsbibliothek mit seiner alten Ausgabe Vaterland, Muttersprache vor dem Verleger steht und ihn um eine Unterschrift bittet. Echte Fans eben.
Diese Ausstellung ist ein aufregender Spaziergang durch die Verlagsgeschichte und ist bis zum 12. Juli in der Staatsbibliothek zu Berlin in der Potsdamer Straße 33, 10785 Berlin, zu sehen. Danach reist sie weiter nach Stuttgart. Der Eintritt ist frei und jeden Mittwoch gibt’s um 18 Uhr eine Führung. Die Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 9 bis 21 Uhr sowie am Samstag von 10 bis 19 Uhr. Als lesenswerte Ergänzung empfehle ich das Buch Buchstäblich Wagenbach – 50 Jahre: Der unabhängige Verlag für wilde Leser. Es kostet 10,- € und ist in jeder Buchhandlung eures Vertrauens käuflich zu erwerben. Ihr könnt das Buch portofrei hier bei ocelot.de bestellen. Lang lebe der wunderbare Wagenbach Verlag!
Liebe Klappentexterin, dein Bericht ist so eindrucksvoll, dass ich gerade träumend vor meinem Bücherregal stehe, die letzten Jahre Revue passieren lasse und darüber nachdenke, was mir alles zu Wagenbach einfällt. Eine ganze Menge nämlich… Danke dir also, dass du mich wieder einmal auf so wunderbare Weise inspirierst. Schöne Grüße, masuko
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Liebe masuko, ich danke dir von Herzen für deine wunderbaren Worte! Und ich freue mich sehr, dass ich dich zu deinem schönen Wagenbach-Beitrag inspirieren konnte. Hab ihn soeben mit einem Lächeln gelesen.
Liebe Grüße,
Klappentexterin
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Pingback: (Die Sonntagsleserin) KW #23 – Juni 2014 | Bücherphilosophin
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Liebe Klappentexterin,
habe gerade den Beitrag von Masuko gelesen und kommentiert. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich auch ein paar Bücher von Wagenbach habe, u. a. „Kümmernisse“, welches Du vor einiger Zeit empfohlen hast und welches ein absolut großartiges Buch ist. Hoffen wir auf noch viele weitere „Schätze“ von Wagenbach.
LG
lesesilly
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Liebe lesesilly,
hab lieben Dank auch für deinen Besuch bei mir. Ich war eben drüben bei masuko und hab dich dort ebenfalls getroffen. Das war schön! Oh ja, das hoffe ich auch, dass wir noch viele Schätze finden, wobei hoffen irgendwie das falsche Wort ist. Wissen wir doch, dass wir glückliche Leserinnen von Büchern aus diesem besonderen Verlagshaus werden, nicht wahr? Ich bin jedenfalls sehr gespannt und begebe mich weiterhin auf die Suche.
Ganz herzlich,
Klappentexterin
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