Ein wunderbunter Lese-Schatz. Nicht nur für Kinder.

„Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen“ ist eine Reise in die Vergangenheit, in ein Land, das es heute nicht mehr gibt. Es führt uns zurück in die DDR. Im Anhang steht: „Habt ihr die glänzenden Augen der Erwachsenen gesehen, als sie dieses Büchlein von Franz Fühmann in der Hand hatten?“ Sie haben es einst selbst gelesen, denn es wurde vor über 50 Jahren veröffentlicht, 1960 um ganz genau zu sein. Das Büchlein erfreute sich damals großer Beliebtheit im Osten. Die Westdeutschen kennen die Geschichte wohl kaum, weil sie in einem anderen Teil des damals geteilten Landes groß geworden sind. Dann wollen wir es mal auf die andere Seite hin übertragen.

An einem schönen Oktobermorgen herrscht helle Aufregung im Kinderwochenheim in Käsebrot. O Schreck – es fehlt etwas! Das wunderbunte Vögelchen singt nicht wie sonst sein Morgenlied. Das Vögelchen ist sehr kostbar und „es gibt nur noch ein einziges dieser Art auf der Welt.“ Deshalb kommen die Menschen extra angereist, um sich diese Rarität anzuschauen, doch nun ist das Vögelchen weg. Sofort wird Frau Rasselbusch gerufen und die kann das selbst nicht ganz fassen. Sie glaubt zunächst, es hätte sich versteckt, aber das Vögelchen kommt nicht zurück ins Nest und bleibt verschollen. Also ruft sie die Volkspolizei, die ganz schnell mit Tatüü-tatüü-tatüüü anrauscht. Als erstes sichern die beiden Volkspolizisten den Baum des Vögelchens mit einer Gipsmasse, was die Kinder neugierig beobachten, denn so was kommt ja schließlich nicht alle Tage vor. Schon bald ist klar, dass Hauptwachtmeister Wiesel und sein Genosse Hauptwachtmeister Löffelholz Hilfe von den Kindern brauchen, weil sie das Vögelchen am besten kennen. Doch ganz so einfach ist die Auswahl nach den passenden Helfern nicht, weil Sonja, Lutz und Bärbel gute Fähigkeiten für die große verantwortungsvolle Aufgabe besitzen, aber auch kleine Schwächen haben. Keiner ist eben perfekt, das stellt Hauptwachtmeister Löffelholz fest: „Ich glaube, ein Kind ohne Fehler finden wir nicht, und die Zeit drängt. “ Gesagt, getan und schon sausen die drei mit den Polizisten mit Blaulicht davon und eine aufregende Suche beginnt!

Das Buch entführt die Leser in eine vergangene Welt. Genau das verleiht der Geschichte einen besonderen Touch und man merkt der Sprache die Jahre ein wenig an. So tauchen Begriffe wie Pionier und Volkspolizei auf, die heute längst nicht mehr im Sprachjargon vorkommen. Die Geschichte ist nicht nur spannend erzählt, sie erfreute mich mit unterhaltsamen Redewendungen und Sätzen, ebenso wie zahlreiche lustige Illustrationen. Die Bilder sind eher schlicht – nur mit zwei Farben, schwarz und rot versehen – und erzählen die jeweilige Szene noch mal auf eine eigene Art.

Franz Fühmann hat für die Kleinen bildhaft skizziert, wie das Leben eines Polizisten aussieht. Mit seinen eigenen Worten hat er das so erklärt: „Ich wollte einen Kinderkrimi schreiben. Er sollte spannend sein und den Kindern einen ersten Einblick in die Arbeit unserer Polizei geben.“ Eben dies ist dem Autor gelungen. Was ist dies nun? Einfach nur ein Kinderbuch? Für mich nicht. Es ist ein wunderbunter Schatz, der mich in die eigene Kindheit zurückversetzt hat, in einen Staat, dem ich kritisch gegenüberstehe, der aber doch ein Teil meines jungen Lebens ist.

Franz Fühmann.
Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen.
Illustrationen: Inge Friebel.
Altersempfehlung: Ab 6 Jahren.
Januar 2008, 95 Seiten, 7,90 €.
Hinstorff Verlag.

4 Gedanken zu „Ein wunderbunter Lese-Schatz. Nicht nur für Kinder.

  1. Blauraum

    Ich finde, Kinderbücher können noch so einfallsreich sein – so richtig faszinieren sie doch nur als Kind. Ich habe vorgestern durch Zufall „Der Leuchtturm auf den Hummerklippen“ von James Krüss wieder hervorgekramt und dabei auch gleichzeitig alte Gefühle wiederentdeckt.

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    1. klappentexterin Autor

      Mich faszinieren sie immer noch im großen Maße, weil ich ein Kind geblieben bin. ; ) Ich weiß aber, was du meinst. Vielleicht hängt es auch damit zusammen, dass man als Kind anders liest als Erwachsener. Schön sind dann solche Entdeckungen wie du sie kürzlich erlebt hast.

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  2. Bücherliebhaberin (glasperlenspiel13)

    „Es ist ein wunderbunter Schatz, der mich in die eigene Kindheit zurückversetzt hat, in einen Staat, dem ich kritisch gegenüberstehe, der aber doch ein Teil meines jungen Lebens ist.“
    Wie wahr, wie wahr! Liebe Klappentexterin, du sprichst mir aus dem Herzen! Es freut mich immer, dass doch so viele Bücher aus unserer Kindheit die Zeit überdauern und wieder gelesen werden…

    Liebe Grüsse
    Bücherliebhaberin

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    1. klappentexterin Autor

      Liebe Bücherliebhaberin,
      bei dem Büchlein habe ich auch an dich gedacht, wo du ja erst kürzlich herzallerliebst wunderbare Kinderbuchschätze aus meiner Kindheit bei dir gezeigt hast.

      Viele Grüße,
      Klappentexterin

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